19. Jesus - Kirche am Kirchenplatz (pl. Kościelny)
Das bedeutendste und größte evangelische Objekt in Teschen ist die Jesus-Kirche. Sie ist eine der sechs Gnadenkirchen, die im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts in Schlesien entstanden waren. Das Bauwerk mußte bestimmte Bedingungen erfüllen: Es durfte nur hinter den Stadtmauern in Entfernung eines Kanonenschusses und außerhalb des Hauptweges errichtet werden, außerdem durfte es keinen Turm und keine Kirchenglocken haben. An dem gewählten Platz hatte man dann im Jahre 1709 zuerst eine kleine Kirche aus Holz gebaut, und dann mit dem Bau einer richtigen Kirche um diese herum begonnen. Die Pläne dazu bereitete der Architekt Hans Georg Hausrücker aus Troppau vor. In seiner Form unterscheidet sich die Teschener Kirche von den übrigen Gnadenkirchen. Sie ist eine monumentale Missionskirche im Barockstil, die den liturgischen Anforderungen der Evangelischen Kirche und der neu entstandenen Kirchengemeinde entspricht. Die Kirche ist ein Bauwerk, das in sich vier Ebenen beherbergt. Das Kirchenschiff hat ein Tonnengewölbe mit Laternen, seine Joche stützen sich auf die rhythmisch gesetzten massiven Pfeiler, und der Altarplatz (das Presbyterium) ist halbrund geschlossen. Am Hauptschiff liegen symmetrisch die Seitenschiffe an. Die „inneren“ erfüllen die Funktion der Galerien, die niedrigeren und kürzeren „äußeren“ Seitenschiffe führen zu den Galerien. Am 13.10.1710 hatte man zwar den Grundstein für die Kirche geweiht, die Bauarbeiten zogen sich jedoch bis zum Jahre 1725 hinaus. Die Gründe dafür lagen nicht nur im Mangel an ausreichenden Geldmitteln, sondern auch in einer unruhigen Grenze, den wiederkehrenden Epidemien und Naturkatastrophen, zu denen auch zum Beispiel ein Stadtbrand gehörte. Nachdem man später eine Zusatzgenehmigung ausgehandelt hatte, konnte auch der 75 Meter hohe Turm gebaut werden. Er war aber erst im Jahre 1750 errichtet worden.
Mit einer angemessenen Innenausstattung konnte man die Kirche erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts versehen. Sie besteht aus zwei Elementen: aus einem monumentalen Altar, der sich vor den zwölf Fenstern des Altarplatzes befindet und einer Kanzel, die auf einem der Pfeiler des Hauptschiffes aufgehängt ist.
Beide Elemente, obwohl sie eine universelle Symbolik anwenden, drücken einen tiefen biblischen Sinn aus. Die vier Evangelisten, die heiligen Matthäus, Markus, Lukas und Johannes hatten die Evangelien über die Erlösung eines jeden Gläubigen durch Christus verfaßt. Christus setzte das Abendmahl ein und starb qualvoll am Kreuz für die Sünden dieser Welt. Der Schöpfer dieser Welt, seinem Wort getreu, stiftete der Erde das Zeichen des Bundes. Gottes Glorie verkündet die große Glocke und die himmlischen Engelscharen. Er, der Eine in der Dreiheit, sieht alles, damit dort unten das Werk der Erlösung immer in Erinnerung bleibt. Die Kanzel, die von einer Engelsfigur getragen wird, stellt einen Krug voll mit duftendem Wohlgeruch von Gottes Wort dar. Gottes Wort wird durch die Macht des Heiligen Geistes verkündet und gebietet, die Herzen „in die Höhe zu heben“, weil über allem der wiederauferstandene Erlöser - Jesus Christus herrscht. Auf der rechten Seite des Altars, hinter einer Balustrade, befindet sich die Büste des schwedischen Königs Karl XII., durch dessen Einsatz die im Westfälischen Frieden garantierten Rechte wiederhergestellt wurden und die schlesischen Protestanten eine Gnadenkirche bauen durften.
Im Jahre 1766 entstand der Altar und erst 1785 die Kanzel. Die Altarfiguren und möglicherweise auch die Kanzel sind das Werk des Teschener Bildhauers Joseph Pratzker (1730-1790). Das Gemälde „Abendmahl“ kopierte nach einem spanischen Original Friedrich Oeser (1717-1799) aus Leipzig. Auf beiden Seiten des Altarplatzes befinden sich zwei Gedenktafeln. Eine von ihnen erinnert an Pfarrer Senior Karol Kulisz (1873-1940), den Gründer der Wohltätigkeitsanstalten in Kameral Ellgoth (Komorní Lhotka) und in Dzingelau (Dzięgielów). Die zweite ist dem Pfarrer Józef Nierostek (1901-1943) gewidmet. Er war Gründer und Vorsitzender der Polnischen Evangelischen Jugendverbände. Beide Seelsorger starben in den Konzentrationslagern der Nazis. Weitere Gedenktafeln finden wir auf beiden Seiten des Seiteneingangs in den Seitenschiffen. Die erste von ihnen - neben der Eingangstür zur Taufkapelle - erinnert des Pfarrers Jerzy Bogusław Heczko (1825-1907), des langjährigen Propstes in Kameral Ellgoth. Er war auch Autor des ersten polnischen Gesangbuches, das in der Teschener Kirchengemeinde 1865 eingeführt wurde.
Gegenüber der oben erwähnten Tafel hängt eine zweite, die Pfarrer Dr. Jan Pindór (1852-1924) gewidmet ist. Er war ein Gelehrter, wurde aber zu den höheren Kirchenämter nicht zugelassen, weil er es abgelehnt hatte, mit Pfarrer Dr. Theodor Haase zusammenzuarbeiten. Dr. Haase repräsentierte nämlich in der Kirchengemeinde die deutsche Gegenpartei. Pfarrer Pindór war Autor aber vor allem Übersetzer einiger protestantischer Werke aus dem englischen Sprachraum. Im vorletzten Joch des Seitenschiffes neben dem Epitaphium, das die Urne mit der Asche des Pfarrers Senior Kulisz bedeckt, gibt es weitere drei Tafeln. Unter einer kleinen Büste befindet sich eine, die an den polnischen Gelehrten und Patrioten Pfarrer Dr. Leopold Martin Otto (1819-1882) erinnert. Er war derjenige, der die polnische Gesinnung bei den Teschener Protestanten gefestigt hatte. Auf der Tafel ist ein Fragment seiner Einführungspredigt aufgeführt. Nebenan hängt eine Tafel für Pfarrer Senior Oskar Michejda. Er war Superintendent der Evangelischen Lageplan des Kirchenplatzes im Jahre 1725 Kirche in der Tschechoslowakei, später Senior (was heute dem Bischof entspricht) der Teschener Diözese und dann auch noch Publizist und Kalenderredakteur. Unter dem Fenster findet man eine Tafel, die dem Gedenken an die Seelsorger aus der Zeit des Kirchenbaus - Pfarrer Johann Muthmann (1685-1747) und Pfarrer Samuel Ludwig Sassadius (1695-1755) gewidmet ist. Beide waren Wegbereiter des polnischen evangelischen Schrifttums in Teschen. Sie hatten mehr als ein Dutzend eigene und übersetzte Arbeiten herausgegeben.
Über dem Musikchor, im Westteil des Kirchenschiffes, befindet sich die Orgel. Das jetzige, von der Carl-Walcker-Firma aus Frankfurt an der Oder stammende Instrument wurde im Jahre 1923 in die Schauseite der vorangegangenen Orgel eingesetzt. Mit der Orgel sind die Namen von zwei Virtuosen der Orgelmusik untrennbar verbunden: der Name von Professor Karol Hławiczka (1894-1976), einem Pädagogen, dem Autor des polnischen Lehrbuches über Solfeggio, einem hervorragenden Kenner der Musik von Johann Sebastian Bach und Frédéric Chopin, sowie der Name von Jan Gawlas (1901-1965). Die Orgel ist mit sechsunddreißig Stimmen und 2076 Pfeifen ausgestattet und wird auch für die zahlreichen Konzerte der Kirchenmusik benutzt.
In der höchsten Empore wird die Büchersammlung der Tschammer-Bibliothek aufbewahrt. Die Gemeindebibliothek wurde nach dem Kirchenvorsteher Gottlieb Rudolf Tschammer (1711-1787) benannt. Die Sammlung kam durch Bücherschenkungen der Geistlichen und der Gläubigen zustande und spiegelt die Kultur, die Interessen und die Achtung für das gedruckte Wort der Teschener Protestanten wider. Die Büchersammlung setzt sich aus Manuskripten, alten Drucken und zeitgenössischen Büchern mit vor allem religiösem Inhalt zusammen. Sie kann für wissenschaftliche Zwecke genutzt werden.
Außen an der Kirche, in der Türlaibung des Hauptportals, befindet sich eine Tafel mit einer unvollständigen Liste der Opfer des Zweiten Weltkrieges. Im Glockenturm unter dem Turmhelm befinden sich drei im Jahre 1922 aufgehängte Kirchenglocken.