Bevölkerung in alten Zeiten
Anfangs waren alle Einwohner von Cieszyn gleich, und sie unterschieden sich von den Dorfbewohnern hauptsächlich durch ihre persönliche Freiheit, dadurch daß sie die Stadtrechte genossen, und daß sie ihren Lebensunterhalt mit Tätigkeiten außerhalb der Landwirtschaft bestritten hatten. Eigentlich wurde das letztgenannte Merkmal lange in der Praxis nicht beachtet, weil die meisten Stadtbewohner in ihren Gärten Gemüse angebaut hatten, um auf diese Weise ihr Einkommen zu verbessern. Sie hielten auch Vieh, das auf Wiesen am Stadtrand geweidet hatte. Auf ein Stück Weide hatte nämlich jeder Hausbesitzer aus der Stadt Recht.
Die Stadteinwohner hatten sich voneinander durch den ausgeübten Beruf und durch einen eventuellen Hausbesitz unterschieden. Die Hausbesitzer teilten sich wiederum in solche mit dem Recht Bier herzustellen und auszuschenken und solche, die dieses Recht nicht hatten. Einige von ihnen waren wohlhabender, andere ärmer. Aus den wohlhabenden war allmählich das Patriziat, der Stadtadel, entstanden, das allerdings längst nicht so vermögend war, wie in den Großstädten. Weiter unten in der Hierarchie lag die Schicht der Hausbesitzer ohne die Ausschankrechte und dann der Personen, die ihre Wohnungen nur gemietet hatten. Außerdem gab es Einwohner, die keine Stadtrechte genießen konnten, nämlich die abhängig beschäftigten sowie die Dienstboten. Die Bewohner der Vorstädte konnten ebenfalls die bürgerlichen Rechte nicht im vollen Umfang in Anspruch nehmen. Der überwiegende Einwohneranteil bestritt seinen Lebensunterhalt vom Handwerk. In der Stadt waren alle Arten des Handwerks vertreten. Beginnend mit dem, das in alten Zeiten für alle Menschen unentbehrlich war, wie das Metzger-, Bäcker-, Schreiner-, Schuhmacher- oder Schneiderhandwerk, bis hin zu dem, das für die Stadt oder die Region typisch war. Charakteristisch für Cieszyn waren alle Tätigkeiten und Berufe, die mit der Produktion von Textilien zusammenhingen, wie der Beruf des Webers oder des Tuchmachers. Das war besonders im 16. Jahrhundert der Fall, als sich die sogenannten Wallachen im Beskidengebirge niederließen, und die von ihnen gezüchteten Schafe große Mengen Wolle lieferten. Am berühmtesten waren jedoch die Büchsenmacher, die vom Ende des 16. Jahrhunderts an außer anderen Waffen die bekannte „Tschinke mit Radschloß“, ein leichtes Gewehr für die Vogeljagd, hergestellt hatten. Wegen ihrer reichen Verzierung gehörte die Tschinke zu den Luxusgegenständen, die auf Adels- oder Königshöfen begehrt waren. Auch heute schmücken die Gewehre renommierte Waffensammlungen und Museen in der ganzen Welt.
Die Handwerker in alten Zeiten waren in Zünften organisiert, denen Personen angehörten, die den gleichen oder einen verwandten Beruf ausübten. Die Zünfte waren auf Grund der vom Herzog erhaltenen Privilegien und der von ihm bestätigten Statute tätig. Diese Gesetze sollten die hohe Qualität der hergestellten Produkte gewährleisten. Die Zünfte sorgten dafür, daß keiner den jeweiligen Beruf ausgeübt hatte, der der Zunft nicht angehörte und nicht in der Stadt oder in der Entfernung von einer Meile von der Stadt wohnte. Die ältesten Zünfte in der Stadt waren die der Metzger, der Bäcker und der Schuhmacher. Die bekannteste Zunft war die der Büchsenmacher und sie bestand bis Ende des 19. Jahrhunderts. Später jedoch mußte sie sich, mangels Mitglieder, zu einer gemeinsamen Zunft mit den Schlossern und den Uhrmachern zusammenschließen. Weitbekannt waren auch die Erzeugnisse der Teschener Goldschmiede, besonders von dem Moment an, als die Dorfeinwohner begannen, ihre Trachten mit Golderzeugnissen zu schmücken. Noch im Jahre 1720 hatten innerhalb der Stadtmauern nur zehn Beamte gewohnt. Die restlichen Einwohner lebten vom Handwerk. Im 19. Jahrhundert wurden in Cieszyn, wie auch überall, die handwerklichen Produkte von den Fabrikerzeugnissen vom Markt verdrängt. Das Zunftsystem wurde allmählich durch das Prinzip der freien Konkurrenz in der Wirtschaft ersetzt. Dadurch verlor das Handwerk schrittweise seine Bedeutung.
Die Kaufleute stellten in alten Zeiten eine weitere Berufsschicht dar. Obwohl der Handel immer eine wichtige Rolle im Leben einer Stadt spielte, und obwohl Cieszyn günstig an einer Kreuzung der Handelswege lag, gab es viel weniger Kaufleute als Handwerker. Der Handel fand vor allem auf den Wochenmärkten statt. Die Bauern aus der Stadtumgebung tauschten ihre landwirtschaftlichen Produkte gegen die handwerklichen Erzeugnisse. Größere Märkte, sogenannte Jahrmärkte, fanden früher nur zweimal im Jahr statt. Später hatte Cieszyn von ihren Herrschern das Recht erhalten, den dritten (1475) und den vierten (1581) Jahrmarkt im Jahr zu veranstalten. Im Jahre 1657 gestattete Kaiser Leopold I., den fünften Jahrmarkt im Jahr abzuhalten, der gleichzeitig ein Viehmarkt war. Der Viehhandel entwickelte sich im 18. Jahrhundert im bemerkenswerten Umfang. Durch Cieszyn wurden große Mengen Rinder aus der Ukraine und aus Galizien zu den Viehmärkten in den westlichen Teilen der österreichischen Monarchie durchgeschleust. Die Viehhändler hielten sich meisten auf dem späteren Oberring auf, und hauptsächlich für sie wurde der Gasthof „Zum Goldenen Ochsen“eröffnet. Mangels Geldreserven waren die Teschener Kaufleute vor allem auf dem lokalen Markt tätig. Die Lage änderte sich, nachdem sich in Cieszyn die jüdische Familie Singer niedergelassen hatte. Sie trieb einen lebhaften Handel mit Kraków (Krakau) sowie mit Mähren und Wien. Im 18. Jahrhundert hatten italienische Kaufleute die Aufgaben der Familie Singer übernommen. Sie waren in großer Anzahl aus der Lombardei gekommen, die auch zur Habsburger Monarchie gehörte. Im Jahre 1775 hatte die österreichische Verwaltung in Cieszyn eine internationale Messe veranstaltet, die das Ziel hatte, den preußischen Städten die Kunden wegzulocken und das neu an die Monarchie angeschlossene Galizien in die übrigen Länder zu integrieren. Trotz anfänglicher Erfolge konnte sich die Messe aber nicht halten. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in der Zeit der freien Wirtschaft, hatten die Teschener Kaufleute begonnen, den Waren- und Dienstleistungstausch zwischen Galizien, Preußisch-Schlesien, den ungarischen Ländern, Böhmen und Mähren, sowie den österreichischen Ländern zu vermitteln, und sie hatten dadurch die günstige Lage ihrer Stadt voll ausgenutzt.
Neben den Stadtbürgern wohnte in Cieszyn auch der Adel. Angehörige des Adels liebten es, Häuser in der Stadt zu kaufen, besonders dann, wenn sie auf dem herzoglichen und später auf dem Habsburgerhof Funktionen ausgeübt hatten. Die erworbenen Bürgerhäuser hatte der Adel meistens in Stadtresidenzen umgewandelt. Die bekanntesten Adelshäuser in Cieszyn sind: das Stadthaus des Freiherrn Bludowski (heute Bibliothek für geschichtliche Landeskunde), das Schloß der Freiherren Kalisch (heute Kloster der Borromäerinnen) sowie das Schloß der Grafen Larisch (heute Museum des Teschener Schlesiens). Der Adel wollte jedoch an die Stadt keine Steuern zahlen, und sein Verhalten war die Ursache für Konflikte mit den Stadtbürgern. Es hatte auch nicht viel geholfen, daß der Kauf von Stadthäusern dem Adel wiederholt verboten wurde. Um diese Vorschriften zu umgehen, hatten sich nämlich einige Adelige als Stadtbürger eingetragen. Später, im 19. Jahrhundert, hatte es praktisch keinen Adel mehr gegeben. An seine Stelle trat die Offiziersschicht der Teschener Garnison, die anfangs des 20. Jahrhunderts fast zweihundert Personen zählte.
Ende des 18. Jahrhunderts begann sich außerdem die Schicht der Intellektuellen, die sogenannte Intelligenzschicht, herauszubilden. Es gehörten dazu die Beamten, die Geistlichen und die Lehrer. Anfang des 19. Jahrhunderts gab es in Cieszyn 5379 Einwohner, davon waren achtunddreißig Geistliche beider Konfessionen, über hundert Beamte und noch sechzig Personen aus adeligen Familien. Die Intellektuellenschicht wurde größer, und es vergrößerte sich ebenfalls ihre Bedeutung. Es waren auch die ersten Vertreter der freien Berufe erschienen, unter anderem Lehrer, Rechtsanwälte und Redakteure zahlreicher in Cieszyn erscheinender Zeitungen und Magazine. Am meisten geschätzt waren die Ärzte, von denen vor dem Ersten Weltkrieg bereits dreißig in Teschen tätig waren. Zu den bekanntesten zählten: Dr. Alois Kohn, Dr. Samuel Reichert und vor allem der ausgezeichnete Chirurg Dr. Hermann Hinterstoisser, Direktor des Schlesischen Krankenhauses in Cieszyn.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wohnten in Cieszyn die Vertreter aller Gesellschaftsschichten und Berufe, und in ihrer Zusammensetzung spiegelte sich die ganze moderne, verstädterte Welt wider. In der Stadt waren auch verschiedene Konfessionen vertreten. 67 Prozent der Stadtbewohner waren Katholiken, 23 Prozent Protestanten, die vor allem in dem nahe der evangelischen Jesus-Kirche gelegenen Stadtteil namens Obere Vorstadt lebten, und zehn Prozent der Einwohner waren Juden. Die katholische Kirche wurde von dem Generalvikar geleitet, dem der ganze österreichische Teil der Breslauer Diözese unterstand, sowie von dem Teschener Propst, der auch die Aufgaben eines Dekans erfüllte. In der Stadt befanden sich neun katholische Kirchen und vier Klöster: der Jesuiten, der Barmherzigen Brüder, der Elisabetherinnen sowie der im Jahre 1876 aus Preußisch-Schlesien zugezogenen Borromäerinnen. Bis auf einen kurzen Zeitraum im 18. Jahrhundert waren die Katholiken von Cieszyn Mitglieder einer einzigen Pfarrgemeinde, zu der auch die Gläubigen aus den umliegenden Dörfern gehörten. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg hatte man neue Pfarrgemeinden gebildet, meistens in den Ortschaften, die nach dem Krieg in die Stadt Cieszyn eingemeindet wurden. Auch die Anzahl der katholischen Kirchen war mittlerweile gewachsen. Nach der fast tausend Jahre dauernden Zusammengehörigkeit hatte man im Jahre 1992 die Teschener Pfarrei von der Breslauer Diözese getrennt, und sie bildet heute zusammen mit der Bielitz-Saybuscher Diözese einen Teil der Krakauer Erzdiözese.
Auch die Teschener Protestanten hatten eine Kirchengemeinde gebildet, die einzige in Teschen, und sie konzentrierte sich um die Jesus-Kirche. Ihr stand ein evangelischer Pfarrer vor, der wiederum dem ostschlesischen Senior unterstellt war. Cieszyn und die Teschener Diözese spielt eine wichtige Rolle im Leben der evangelischen Kirche Polens Augsburger Bekenntnisses. Vom Ende des 19. Jahrhunderts an waren in Cieszyn auch andere protestantische Kirchengemeinden entstanden.
Die Juden aus Cieszyn hatten bis zum Ersten Weltkrieg eine gemeinsame Kultusgemeinde gebildet, der auch Gläubige aus anderen Orten des Teschener und Jablunkauer Gerichtsbezirkes angehörten. Als geistiger Führer stand der Gemeinde der Teschener Rabbiner vor. Eine selbständige jüdische Gemeinde entstand im Jahre 1923 in Český Těšín. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren nur wenige Juden nach Cieszyn zurückgekehrt, so daß beide Kultusgemeinden aufhörten zu existieren.
In Cieszyn kreuzten sich sich die Wege vieler Menschen und Kulturen, und in alten Zeiten lebten hier Vertreter verschiedener Nationalitäten. Auf den Straßen hörte man die polnische und tschechische Sprache genauso oft, wie die deutsche, slowakische, jüdische, und sogar italienische und ungarische. Im 19. Jahrhundert hatten die Deutschen eine dominierende Stellung in der Stadt. Noch in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen stellten sie ein Drittel der Stadtbevölkerung von Cieszyn und Český Těšín dar. Nach dem Krieg wurde Cieszyn eine absolut polnische Stadt, in Český Těšín lebt aber auch eine große polnische Minderheit.