Die ehemalige Schießstätte ul. Střelniční
Tschechisch Teschen
Nachdem wir über die Freiheitsbrücke die Staatsgrenze passiert haben, werden wir von Tschechisch Teschen willkommen geheißen. Hinter der Brücke, auf der linken Seite der Střelničnístraße, befindet sich die ehemalige Schießstätte ul. Střelniční
Sie wurde im Jahre 1882 von der Teschener Schützengesellschaft erbaut und ersetzte das alte Objekt in der Michejdystraße im polnischen Teil von Teschen. Die alte Schießstätte wurde seit Gründung der Schützengesellschaft im Jahre 1795 genutzt und war mittlerweile zu klein geworden. Die Schützengesellschaft wurde von den Teschener Bürgern gegründet. Sie hatten dabei an die Tradition der sogenannten Schützengilden angeknüpft, in denen bereits von Mittelalter an die Schießfähigkeiten für die Verteidigung der Stadtmauern geübt worden waren. Die Mitglieder der Schützengesellschaft hatten die Genehmigung der Behörden erhalten, Schießwettbewerbe zu veranstalten, und der erste fand bereits am 24. April, dem St.- Georg-Tag, 1796 statt. Die Ehrenschirmherrschaft über die Gesellschaft übernahm Herzog Albert von Sachsen- Teschen und später sein Nachfolger Erzherzog Karl Ludwig. Zwei Jahre nach ihrer Gründung hatte Kaiser Franz II. der Gesellschaft ein Privileg erteilt, einmal im Jahr einen achttägigen Wettbewerb, das sogenannte Königsschießen zu veranstalten. Der Sieger erhielt den Titel “Schützenkönig”. Von diesem Zeitpunkt an gehörte der Schützenwettbewerb zu den wichtigsten städtischen Veranstaltungen, die in Teschen stattfanden.
Im Jahre 1802 hatte die Schützengesellschaft in der Freistädter Vorstadt von Pater Leopold Johann Scherschnik den bislang von ihr nur gepachteten Garten mit Gebäuden gekauft. Im Jahre 1836 wurde eines der Gebäude umgebaut und dort hatte die Gesellschaft bis 1882 ihren Sitz. Im Jahre 1882 wurde dann aber auf der anderen Seite der Olsa ein neues Objekt erbaut und der Sitz der Gesellschaft dorthin verlegt.
Das neue Gebäude der Schießanlage entstand in zwei Abschnitten. Das Gebäude für die Schützen (heute ist es ein Veranstaltungssaal) wurde 1882 nach einem Entwurf des erzherzoglichen Baumeisters Gustav Raimann gebaut. Die hinter dem Haus liegenden Schießstände, die Schießbahnen mit einer Länge von 230 und 400 Schritten und die Kugelfänge mit Zielscheiben entwarf Theodor Herzmanski. Die Bauarbeiten führte der Teschener Baumeister Fritz Fulda aus. Diese Anlage, “Neue Schießstätte” genannt, wurde offiziell am 22. Oktober 1882 von Erzherzog Albrecht von Habsburg eröffnet, der eigens zu diesem Anlaß nach Teschen gekommen war. Bei dieser Gelegenheit wurde auch ein Schießwettbewerb veranstaltet, den ein gewisser Albert Blumenthal und der erzherzogliche Förster Reidl gewonnen hatten. Acht Jahre später, im Jahre 1890, hatte man die Schießanlage um einige Anbauten erweitert. Es fanden in ihnen ein Restaurant, ein Saal mit einer Kuppel sowie einige Wohnungen Platz. Gleichzeitig wurde die zur Straße gerichtete Fassade des Bauwerks im Stil vereinheitlicht. Den Umbauentwurf sowie die Bauarbeiten selbst hatte die Baufirma Ludwig Kametz´ ausgeführt, und so entstand ein klassizistisches Gebäude mit einem einstöckigen Mittelkörper mit Kuppeldach und zwei anliegenden Erdgeschoßflügeln. Die Fassade wurde mit rustizierten Streifen und mit zahlreichen Gesimsen geschmückt. Im Erdgeschoß gibt es bis heute einen repräsentativen Raum mit halbrunden Fenstern und eklektischem Stuck. Hinter dem Gebäude breitete sich ein großer Garten aus, der für die Wettbewerbe und Feste genutzt wurde. Die Teschener Schützengesellschaft hatte ihre neue Anlage am 3. September 1890 in Betrieb genommen. Als Anlaß dafür wurde der Besuch des Kaisers in Teschen genutzt. Der Monarch hatte die Räumlichkeiten des neuen Gebäudes mit Interesse besichtigt, schaute sich den Schützenwettbewerb an, und zum Schluß trug er sich in das Gästebuch der Gesellschaft ein.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Tätigkeit der Schützengesellschaft fortgesetzt, aber wegen der Stadtteilung in einem immer kleiner werdenden Umfang. Nach 1945 hörte die Gesellschaft auf zu existieren. Im Jahre 1947 wurde in den Räumen der ehemaligen Schießanlage das “Haus der Kinder und der Jugend” untergebracht, das jetzt in das Soziale und kulturelle Zentrum “Schießstätte” (Kulturní a společenské středisko “Střelnice”) umgewandelt wurde.