Gebäude der ehemaligen Städtischen Bürgerschule
Wir verlassen das Gerichtsgebäude, gehen nach links durch den Oberring (Górny Rynek) und einen Teil des Oberen Tores (Wyższa Brama), biegen nach rechts in den Platz der Freiheit (Plac Wolności) ab. Am Ende des Platzes, auf der linken Seite, befindet sich das Gebäude der ehemaligen Städtischen Bürgerschule
Das Gebäude der heutigen Grund- und Hauptschule Nr. 4 und der Nikolaus-Kopernikus-Oberschule (des Allgemeinbildenden Lyzeums) hatten die Teschener Stadtträger im Jahre 1879 im Stil der Neorenaissance erbauen lassen. Es diente als städtische Bürgerschule für Jungen und Mädchen. Im Jahre 1875 hatte der Stadtrat den Wettbewerb für ein Projekt der neuen Schule ausgeschrieben und beauftragte den Österreichischen Ingenieur- und Architekten Verein damit, den Gewinner zu ermitteln. Der Wettbewerb erregte lebhaftes Interesse bei den Architekten der gesamten Monarchie. Es waren sechsundfünfzig Entwürfe eingegangen, und bereits im März 1876 hatte die Jury unter dem Vorsitz Heinrich von Ferstels, des Schöpfers der Votivkirche und der Universität in Wien, seine Entscheidung getroffen. Den Preis gewann der Entwurf, der in dem Wiener Architektenbüro von Fellner und Hödel ausgearbeitet worden war. Mit dem vom städtischen Baumeister Alois Jedeck geleiteten Bau wurde dann im April 1877 begonnen. Zwei Jahre später war die Schule fertig. Sie wurde auf einem leeren Grundstück gebaut, das sich an der Ecke Kronprinz-Rudolf- Platz und Kaiserin-Elisabeth-Straße (heute Plac Wolności und ul. Stalmacha) befand. Das Gebäude hat die Form eines geschlossenen Vierecks mit den Maßen 50 mal 42 Meter mit einem Innenhof in der Mitte. Der gleichmäßige Körper hatte eine Außendekoration im Stil der Neorenaissance erhalten. Die Harmonie der Komposition wurde durch die gleich hohen Stockwerke und die rhythmisch angeordneten Fenster mit ihrer Teilung durch Balkenwerk und Wandpfeiler hervorgerufen. Die Hauptfassade wurde durch das zentral liegende Einfahrtstor und die symmetrisch angeordneten Seitenrisalite hervorgehoben. Einige von den Repräsentationsräumen der Schule, wie zum Beispiel die Eingangshallen und der Versammlungs- und Veranstaltungssaal, hatten ebenfalls eine Ausstattung im Stil der Neorenaissance erhalten. Die feierliche Eröffnung der Schule fand am 13. September 1879 statt. Eigens zu diesem Anlaß war aus Wien der Minister für Kultus und Unterricht Karl von Stremayer gekommen. Es wurde damals eine Gedenktafel enthüllt, die sich bis heute in der Eingangshalle der Schule befindet. Die Tafel ist aus weißem Marmor, und die Inschrift in deutscher Sprache lautet: “Der Bau dieser Volkschule wurde unter der Regierung Sr. Majestät des Kaisers Franz Josef I. von der Stadtgemeinde Teschen nach dem Preisgekrönten Entwurfe der Wiener Architekten Fellner und Hödl am 12. April 1877 begonnen und am 31. Juli 1879 vollendet. Die Eröffnung des Unterrichtes in diesem Volksschulgebäude erfolgte am 15. September 1879. Die göttliche Vorsehung walte über demselben. Ausgeführt wurde dieser Bau unter der Leitung der Stadtingenieure Carl Khünl vom 1. Mai 1877 bis 15. Jänner 1879 und Architekt Carl Stadler von Wolffersgrün vom 16. Jänner 1879 bis 31. Juli 1879 durch den Stadt-Baumeister Alois Jedeck.”
Nachdem das moderne Gebäude eröffnet worden war, weckte es die Bewunderung der Zeitgenossen und den Stolz der Stadtväter. Es wurde zum Ziel der Besuche hoher Gäste, die in Teschen weilten. Ein Jahr nachdem die Schule ihren Betrieb aufgenommen hatte, trat über ihre Schwelle Kaiser Franz Josef I. in Person. Er bewunderte das noch frische Gebäude, das alle Erfordernisse erfüllte, die man damals an eine moderne Bildungsstätte stellte. Nachdem ihm die Lehrer vorgestellt worden waren, begab sich der Kaiser in die Klassenräume und hörte mit Zufriedenheit zu, wie die Kenntnisse der Kinder in Deutsch, Polnisch und Tschechisch geprüft wurden. Zum Andenken pflanzte er vor der Schule die “Kaisereiche” ein. Ihre Größe ist heute schon recht beachtlich. Auch die anderen Mitglieder der kaiserlichen Familie bekundeten ihr Interesse für die Schule. Am 25. Oktober 1882 besuchte sie der Teschener Herzog Albrecht und am 27. September 1885 Erzherzog Friedrich.
Das Schulgebäude hatte auch in der Geschichte des Teschener Schlesiens eine Rolle gespielt. Während der bedeutungsvollen Ereignisse im Jahre 1918 hatten die polnischen Offiziere unter der Führung des Leutnants Klemens Matusiak auf dem Platz vor der Schule den österreichischen Kommandeur der Teschener Garnison - Oberst Gerndt - festgenommen. Sie begaben sich dann in die Büroräume der Kommandantur, die sich in dem Schulgebäude befanden. Dort war Gerndt zurückgetreten und hatte seinen Posten den Polen zur Verfügung gestellt. Zur Erinnerung an dieses Ereignis hatte man später den Kronprinz-Rudolf-Platz in Platz der Freiheit umbenannt. Im Jahre 1998, zum 70. Jahrestag dieser Geschehnisse, wurde vor der Schule das Unabhängigkeitsdenkmal enthüllt.