Hotel „Zum Braunen Hirschen“
Wenn wir das Rathaus verlassen, sehen wir auf der rechten Seite das Hotel „Zum Braunen Hirschen“ Rynek 20
Das Gebäude des Hotels “Zum Braunen Hirschen” wurde auf einem Grundstück erbaut, auf dem sich früher zwei am Marktplatz liegende Häuser befanden. Sie waren an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert entstanden, zu der gleichen Zeit also, als der jetzige Marktplatz. Auf dem Eckgrundstück des Marktplatzes und der heutigen Regerstraße stand ein Haus, in dem sich eine Niederlassung des Kupferhandels, später dann ein Amt für Salzund Tabaksteuer befand. Mitte des 18. Jahrhunderts wurden die Teschener Adelsfamilien der Grafen Larisch, der Freiherren Karwiński und Cselesta Besitzer dieses Hauses. Zu dieser Zeit gab es dort schon ein Hotel, das “Hirsch” oder “Zum Braunen Hirschen” genannt wurde. Es wurde von verschiedenen Geschäftsleuten geführt, die man “Gastwirte” nannte. Von Anfang an waren berühmte Menschen und gekrönte Häupter Gäste dieses Hotels gewesen, wie zum Beispiel: Fürst Repnin, Zar Paul I., Prinz de Condé und Marie- Thérèse, die Tochter des Königs Louis XVI., samt den Emigranten nach der Französischen Revolution, Zar Alexander I., Großfürst Konstantin, General Kutusow, Kaiser Ferdinand oder auch der Teschener Herzog Karl Ludwig von Habsburg. Zwei große Tafeln mit ihren Namen erinnerten in der Hotelhalle an all diese Gäste. Der höchste Gast und einer der ersten dieses Ranges war Kaiser Josef II. in Person, der sich zweimal in dem Hotel aufhielt: im Jahre 1770 und dann noch 1779.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ging das Hotel in die bürgerlichen Hände, zuerst der Familie Kamprath und von 1876 an der Familie Seemann, über. Den Hotelbetrieb hielten indessen verschiedene Pächter aufrecht. Ende der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurde das Gebäude nach einem Entwurf von Albert Dostal umgebaut, und zwar so, daß es die Ansprüche der immer größer werdenden Anzahl der Gäste erfüllen konnte. Man hatte ein zweites Geschoß gebaut und stellte einen Pferdebus zur Verfügung, der die Gäste vom Bahnhof in Pruchna und später vom Sachsenberg abgeholt hatte. Diese Investitionen hatten jedoch nicht ausgereicht, da sich die Anzahl der Eisenbahnbenutzer und der Touristen im allgemeinen ständig vergrößerte. Zum anderen hielt das “Hirsch” der Konkurrenz des Hotels “Austria” in der Kronprinzessin-Stephanie-Straße (ul. Głęboka) nicht stand. Im Jahre 1910 hatte der Teschener Baumeister Ludwig Kametz die Idee vorgebracht, an Stelle des alten Hotels und eines benachbarten Hauses ein modernes Hotel “Zum Hirschen” zu bauen. Er hatte eine Gesellschaft gegründet, die den Namen “Hotel Brauner Hirsch GmbH in Teschen” trug. Wohlhabende Bürger waren die Gesellschafter. Sie hatten das alte Hotel von Eduard Seemann und das benachbarte Haus von der Familie Scholtis gekauft. Die Baupläne für das neue, große Objekt hatte im Jahr 1911 der Wiener Architekt Kilian Köhler ausgearbeitet. Auf diese Weise war das ansehnlichste Gebäude am Marktplatz entstanden, das die anderen an Größe und Höhe überragt hatte. Das Hotel erhielt eine Dekoration im Jugendstil mit einer Beimischung von Rokoko, die an die modernen Wiener Vorbilder angeknüpft hatte. Das Hochparterre mit halbrunden Fenstern, wo sich ein für alle zugängliches Café und ein Restaurant befand, wurde durch einen Mauerstreifen aus Buckelquadern betont. Die zwischen Halbsäulen symmetrisch angeordneten Eingänge führten in das Café und in das Restaurant. Im ersten Stock befand sich eine Suite mit einem Balkon, der ein gußeisernes Gittergeländer hatte. Die Fenster wurden mit Stuck und gebogenen Gesimsen verschönert. Mit einem ähnlichen Gesims wurde der Giebel bekrönt. Der Giebel unterstrich die Symmetrie der Fassade, und man hatte ihn mit dem Relief eines liegenden Hirsches geschmückt. Der Hirsch aus bräunlichem Ton befand sich innerhalb einer Kartusche im Stil des Neorokoko. Das Hotel erhielt ein Mansardendach, das von einem gußeisernen Gitter mit dem Namen des Hotels umgeben war. Die feierliche Hoteleinweihung fand am 29. und 30. Juni 1912 statt. Auf drei Stockwerken befanden sich siebenundsechzig Hotelzimmer, die alle mit Aufzug erreichbar und mit englischen Badezimmern, einer Zentralheizung, Kühlschränken, elektrischem Licht und Lüftung ausgestattet waren. Das Hotel war nach den neuesten Wiener Vorbildern und nach der Mode der Hauptstadt eingerichtet. Im Erdgeschoß befanden sich luxuriös im Jugendstil ausgestattete: ein Café, ein Damensalon, ein Restaurant, ein Konzert- und ein Ballsaal, eine Winterkegelbahn sowie spezielle Räume, die für die Treffen der Teschener Vereine bestimmt waren. Das Restaurant spezialisierte sich in der traditionellen Wiener Küche, das Café servierte die für Österreich typischen Kuchen und Desserts, und natürlich den obligatorischen Kaffee, der auf viele Arten gebrüht wurde. Im Konzertsaal fanden beinahe täglich Vorführungen der Künstler aus Wien oder aus anderen kulturellen Zentren der Monarchie statt. Zur Bequemlichkeit der Kunden gab es im Hotel auch einen angesehenen Friseursalon des kaiserlichköniglichen Friseurs Franz Hermann sowie einen Kosmetiksalon. Obwohl das Hotel gut besucht war, war die Gesellschaft, die es geleitet hatte, in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Die Probleme wurden noch zusätzlich durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vergrößert. Davon unabhängig, hatte sich in diesem Hotel das gesellschaftliche und kulturelle sowie das überregionale politische Leben abgespielt. In den Kriegsjahren 1914 - 1916 bewohnten die hohen Offiziere des Armeeoberkommandos das Hotel. In den Hotelräumen hatte Erzherzog Friedrich als Oberbefehlshaber der österreichischen Armee die wichtigsten Politiker und Militärs der sogenannten Mittelmächte empfangen. Es zählten zu ihnen unter anderem Kaiser Wilhelm II. und König von Bulgarien Ferdinand. Nach dem Ende des Krieges war das Hotel Sitz der Interalliierten Kommission, die den Grenzstreit zwischen Polen und Tschechoslowakei untersucht hatte, und vom Ende Januar 1920 an wohnten dort die Mitglieder der Interalliierten Abstimmungskommission. Die Tätigkeit dieser Kommission wurde dadurch beendet, daß am 20. August 1920 die Vertreter der polnischen und der tschechoslowakischen Regierung ein Protokoll über die Anerkennung der Staatsgrenze an der Olsa unterzeichnet hatten. Dies waren aber schon die letzten Jahre der Konjunktur des Hotels “Zum Braunen Hirschen”. Die Teilung der Stadt hatte die ohnehin schwierige Lage des Hotels noch verschlimmert. Eine bis dahin betriebsame Stadt, die von Geschäftsleuten aus der ganzen Donaumonarchie besucht wurde, hatte sein natürliches Hinterland verloren. An dieser Lage hatten auch die Besuche des Präsidenten der Republik Polen Ignacy Mościcki in den Jahren 1927 und 1929 nichts ändern können. Der Hotelbetrieb wurde indessen aufrechterhalten. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen war das Hotel in privaten Händen und nach dem Zweiten Weltkrieg funktionierte es dann als ein verstaatlichter Betrieb. Die ehemaligen Besitzer erlangten das Hotel im Jahre 1990 wieder und verkauften es. Das Gebäude wurde renoviert und restauriert, der Hotelbetrieb jedoch nicht wiederaufgenommen. Das Hotel wird heute immer noch nicht genutzt und wartet auf seinen neuen Hausherrn.