Jagdschloß
Die Besichtigung der Objekte und der Denkmäler, die mit der Herrschaftsgeschichte der Teschener Herzöge aus der Habsburgerdynastie zusammenhängen, beginnen wir mit ihrer Residenz, die am Fuße des Schloßberges steht, das heißt mit dem Jagdschloß ul. Zamkowa 1
Nach dem Tode der letzten Herzogin aus dem Geschlecht der Piasten - Elisabeth Lukretia - hielten sich die neuen Teschener Herrscher aus der Dynastie der Habsburger sehr selten in Teschen auf. Erst Herzog Albert von Sachsen-Teschen beabsichtigte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, das Schloß wiederaufzubauen, um dort seine bereits beachtliche Sammlung von Zeichnungen und Graphiken unterzubringen, die später den Grundstock der prächtigen Kunstsammlung der “Albertina” in Wien bilden sollte. Dieses Vorhaben wurde jedoch durch den Tod seiner geliebten Frau Marie Christine im Jahre 1798 zunichte gemacht. Erst Alberts Nachfolger, Erzherzog Karl Ludwig von Habsburg, hatte damit begonnen, den Schloßberg neu gestalten zu lassen. Im Jahre 1838 ließ er Josef Kornhäusel, einen hervorragenden Vertreter des Wiener Klassizismus, nach Teschen kommen. Josef Kornhäusel, 1782 in Wien als Sohn eines Maurers geboren, studierte an seinem Geburtsort bei den bekannten Vertretern des Wiener Klassizismus Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg und Peter von Nobile Architektur. Im Jahre 1808 wurde er Mitglied der Wiener Akademie. Kornhäusel starb 1860 in Wien. Die kennzeichnenden Eigenschaften seiner Bauten waren: breite Mauerflächen, eine schlichte architektonische Dekoration, die auf Pfeiler, Lisenen und Bögen beschränkt war, die Anordnung der Fenster in halbrunden und flachen Nischen sowie hohe Attiken. Seine Architektur zeichnet sich durch Feinheit und Sparsamkeit des Ausdrucks sowie durch eine geschmackvolle Zusammensetzung der Baukörper zu einer organischen Einheit aus. Josef Kornhäusel war ein Vertreter der letzten Phase des Wiener Klassizismus, des Biedermeiers. Der Klassizismus hatte vor allem die österreichische Architektur beeinflußt.
In den Jahren 1812-1818 war Kornhäusel Baudirektor der Fürsten von Liechtenstein und hauptsächlich in Baden bei Wien tätig. Er erbaute dort unter anderem das Stadttheater, das Rathaus, die Schlösser der Fürsten von Liechtenstein und der Grafen Esterhazy sowie eine Reihe Mietshäuser. In einer späteren Zeit ging er eine Verbindung mit dem Hof Erzherzog Karl Ludwigs von Habsburg ein und hatte dem Erzherzog in der Nähe von Baden das imposante Schloß Weilburg und in Wien ein Stadtschloß erbaut. In den folgenden Jahren wirkte Kornhäusel in Wien und hatte dort neben vieler Bürgerhäuser folgende Bauwerke erschaffen: die Fassade des Schottischen Klosters, einen jüdischen Tempel, den Zirkus im Prater sowie die Theater in der Josefstadt, in Hietzing und Heiligenstadt. Er hatte ebenfalls das Kloster in Klosterneuburg bei Wien umgebaut sowie viele Schloßanlagen in Mähren und in Teschener Schlesien erschaffen. Erzherzog Karl Ludwig beauftragte Josef Kornhäusel mit dem Umbau seiner Residenz auf dem Schloßberg in Teschen. Die Überreste des alten Oberen Schlosses wurden abgerissen, so daß von den alten Bauten nur die romanische Rundkirche und der Piastenturm erhalten blieben. Das, was von dem Unteren Schloß übrig blieb, hatte man in den beabsichtigten Bau des sogenannten Jagdschlosses mitder angrenzenden Orangerie einbezogen. Diese Bauvorhaben wurden im Jahre 1840 fertiggestellt.
Das Jagdschloß mit einer ausgesprochen schlichten und im Ausdruck sparsamen Architektur ist mit seiner Vorderseite zur Stadt gerichtet. Der zweigeschossige Mittelteil des Schlosses weist den für Kornhäusel typischen, von zwei flachen Gesimsen flankierten Bogen (es handelt sich dabei um das sogenannte Palladio-Serlio-Motiv) und einen dreieckigen Giebel auf. Dieser Mittelteil ist an den Seiten von zwei einstöckigen Flügeln eingefaßt, deren Korridore symmetrisch angeordnet sind. Für die im Südwesten auf der mittelalterlichen Bastion liegende Ecke des Schlosses entwarf der Architekt einen klassizistischen Tempel - Belvedere genannt - in der Form einer dorischen Säulenhalle, von der man einen Panoramablick auf die strahlenförmig angeordneten Straßen des neuen Viertels von Teschen - Sachsenberg genannt - hatte. An das Schloß hatte Kornhäusel eine ebenerdige klassizistische Orangerie angebaut, bei der ein Pfeilerportikus den Serlio-Bogen abstützte. Diese Orangerie hatte man im Jahre 1966 abgerissen. Auch die romanische Schloßkapelle wurde von Kornhäusel zu einem klassizistischen Pavillon umgebaut - sie erhielt große, halbrund gewölbte Fenster, die mit Paaren von Wandpfeilern eingefaßt waren. Das gesamte Gelände des Schloßberges wurde planiert, und man hatte dort einen englischen Landschaftspark mit seltenen Bäumen angelegt. Auf diese Weise war das Teschener Schloß zu einer typisch klassizistisch-romantischen Anlage geworden, die sich durch seine Schlichtheit auszeichnete und gekonnt in die Parklandschaft einbezogen war. Der sentimentale Charakter des Parks wurde auch durch das viel spätere und schon letzte Bauvorhaben an der Schloßanlage unterstrichen. Im Jahre 1914 hatte nämlich Herzog Friedrich von Habsburg im Park künstliche Ruinen errichten lassen. Unter diesen Ruinen war in neuester Zeit eine mittelalterliche Verteidigungsfestung entdeckt worden. Von Anfang an war das Jagdschloß vor allem der Direktionssitz der Teschener Kammer; die Herzöge hielten sich dort nur gelegentlich auf, da sie hauptsächlich in Wien wohnten. Das Schloß war jedoch nicht nur der Sitz der zentralen Verwaltung des riesigen Grundbesitzes der Habsburger, es erfüllte auch andere Aufgaben. In seinen Räumen fand das gesamte gesellschaftliche und kulturelle Leben statt. Ein starkes Echo fanden zum Beispiel die Konzerte, die Franz Liszt auf Einladung des Direktors der Teschener Kammer Josefs von Kalchberg im Juni 1846 in der Orangerie gegeben hatte, oder auch die Vorstellungen der Richard-Wagner-Werke, die von Erzherzog Eugen Ende der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts organisiert und von den Künstlern der Wiener Oper vorgeführt wurden. Ein ebenso großes Ereignis stellten die Besuche Kaiser Franz Josefs I. in den Jahren 1880, 1890 und 1906 dar. Während dieser Besuche hielt sich der Kaiser jedesmal im Jagdschloß auf. Im ersten Stock hatte man für ihn ein spezielles Appartement vorbereitet, das aus einem Arbeits-, Wohn- und Empfangszimmer sowie einem Toiletten- und einem sehr bescheidenen Schlafzimmer bestand. Hinter dem Schloß wurde bei diesen Gelegenheiten ein großes Zelt, das sogenannte Custozzazelt, aufgebaut, das ein Geschenk Erzherzog Albrechts für den Kaiser war. In diesem Zelt hatte der Monarch seine zahlreichen Gäste bewirtet. Durch Erzherzog Friedrich wurde Teschen in den Jahren 1914-1916 fast zu einer zweiten Hauptstadt der österreichischen Monarchie. Friedrich war nämlich Oberbefehlshaber der österreichischen Armee, und in Teschen war der Sitz des Armeeoberkommandos (AOK). Der Erzherzog hatte im Schloß die Hauptverbündeten der Mittelmächte, unter anderem Kaiser Wilhelm II., König von Bulgarien Ferdinand, den Oberbefehlshaber des Heeres Hindenburg sowie viele Generäle zu Gast. Kaiser Karl I. hatte später den Sitz des Armeeoberkommandos von Teschen nach Baden bei Wien verlegt. Zu diesem Zwecke war der junge Monarch am 3. Dezember 1916, drei Tage nach der Beerdigung Franz Josefs I., nach Teschen gekommen. Es war der letzte Besuch eines Kaisers in Teschen. Im Jahre 1918 wurde das Jagdschloß Sitz des Nationalrates des Teschener Herzogtums. Der Nationalrat war ein Organ der ersten polnischen Regierung nach beinahe 600 Jahren fremder Herrschaft in Teschener Schlesien.
Das letzte Kapitel in der Geschichte des Teschener Schlosses stellten die archäologischen Ausgrabungen dar, die in den Jahren 1941-1942 und 1947-1955 durchgeführt worden waren. Man hatte damals den zugeschütteten unteren Teil der romanischen Rundkirche freigelegt, deren ursprünglicher Zustand dann im Jahre 1955 wiederhergestellt wurde. Im Jahre 1988 hatte man wiederum die bereits seit einigen Jahren dauernden Renovierungsund Konservierungsarbeiten an dem Piastenturm beendet. In den Jahren 1993-2004 wurden auch archäologische Forschungen durchgeführt, deren Ergebnisse erlaubt hatten, den Turm am Tor sowie die walzenförmige Festung aus dem 13. Jahrhundert mit den alten Küchenräumen aus dem 16. Jahrhundert teilweise wiederherzustellen. In einem Teil des Jagdschlosses hat heute die Staatliche Musikschule ihren Sitz. Der übrige Teil wurde renoviert und an Stelle der abgerissenen Orangerie ein Pavillon, die sogenannte “Neue Orangerie”, gebaut. In den dadurch neu entstandenen Räumlichkeiten hat jetzt das “Schlesische Schloß der Kunst und des Unternehmertums” seinen Sitz.