Jesus-Kirche
Lange Zeit waren in Schlesien alle anderen Konfessionen als die katholische verboten. Die evangelische Kirche konnte erst nach einer Intervention des schwedischen Königs Karl XII. entstehen. Im Jahre 1707 zwang er Kaiser Josef I. dazu, den Protestanten die beinahe hundertzwanzig Kirchen zurückzugeben und den Bau einiger neuer zu genehmigen. Zwei Jahre später erlaubte also Josef I., vor den Toren der Stadt Teschen die Jesus-Kirche als eine „Gnadenkirche“ zu bauen. Ein Bevollmächtigter des Kaisers kennzeichnete die zu diesem Zwecke gekauften Grundstücke als Baugrundstücke für eine Kirche, indem er eine Stange mit dem Kaiseradler in die Erde einschlug. Zehn Tage später fand der erste nach fünfundfünfzig Jahren öffentliche evangelische Gottesdienst im Teschener Herzogtum statt. An dieser Stelle wurde dann eine kleine Kirche aus Holz gebaut, zu der auch in aller Eile die Altare und die Orgel gestiftet wurden.
Schon nach Ablauf eines Jahres begann man dann mit dem Bau einer richtigen Kirche aus Mauerwerk. Die Bauarbeiten fanden unter der Leitung der Baumeister Hans Georg Hausrücker und Josef Ried aus Troppau statt. Die Hauptarbeiten, die mit dem Erstellen des Gewölbes über dem Hauptschiff endeten, waren bis zum Jahr 1723 abgeschlossen, und der Rest war bis 1730 fertig. Die Jesus-Kirche hatte zu Anfang fünftausend Sitzplätze und faßte insgesamt bis zu achttausend Personen. Sie war die einzige protestantische Kirche nicht nur in der Umgebung, sondern sogar in ganz Oberschlesien. Nachdem Kaiserin Maria Theresia die evangelische Kirche in der österreichischen Monarchie teilweise anerkannt hatte, konnte der Bau des Kirchenturmes beendet werden. Der Turm war zweiundsiebzig Meter hoch. Er erhielt den ersten Blitzableiter in Teschen. Ein neuer Altar wurde im Jahre 1767 gestiftet und 1785 die Kanzel mit Dekorationen ausgestattet. Außerdem wurde auch eine neue Orgel installiert. Die Kirche wurde in den Jahren 1956–1957 tiefgreifend restauriert.
Die Architektur der Jesus-Kirche erscheint schlicht, vor allem von außen. Die Fassade ist zwei Stockwerke hoch, hat drei Achsen und einen quadratischen Turm. Über dem Mittelteil des oberen Stockwerkes sieht man einen dreieckigen Giebel mit einem Zifferblatt. Der Turm endet mit einer kugelförmigen Kuppel und einem Kreuz mit Stern (einem Christussymbol). Ein Portal aus Stein aus dem dritten Viertel des 18. Jahrhunderts ist das einzige Schmuckelement der Fassade. Seinen Abschluß bildet ein halbrunder Bogen auf Pseudopfeilern. In der Spitze des Giebelfeldes befindet sich die Figur eines Lammes mit den Buchstaben: BBK/GGS („Lamm Gottes, welches du hinweg nimmst die Sünden der Welt“). Die Jesus-Kirche ist ungefähr sechzig Meter lang (davon entfallen 54,5 Meter auf das Kirchenschiff) und vierzig Meter breit. Sie hat einen rechteckigen Grundriß und einen Chorraum (Presbyterium) mit einem Joch, der nach Südosten gerichtet ist. Der siebzehn Meter hohe Altar nimmt dort einen zentralen Platz ein. In seinem Giebel befindet sich das Symbol der göttlichen Vorsehung, und auf dem unteren Altaraufsatz haben vier überdimensionale Figuren der Evangelisten sowie zwei Säulenpaare Platz. In seinem oberen Teil befand sich früher auch der schwarze Kaiseradler, der im Jahre 1918 entfernt wurde. Der Altar wurde von dem Teschener Meister Josef Pratzker nach einem Entwurf von Nikolaus und Wenzel Thalherr aus Fulnek erschaffen. Im Mittelpunkt des Altars sieht man das Gemälde „Abendmahl“ von Franz Oeser aus Leipzig. Es handelt sich dabei um das Abbild eines Werkes des spanischen Malers Juan de Juanes, den man den spanischen Rafael nannte. Im Jahre 1935 stellte man vor den Altar eine Büste aus Bronze, die den König Karl XII. darstellte. Es war ein Geschenk der Protestanten aus Schweden. Auf den Seiten des Chorraumes befinden sich eine Tauf- und eine Trauerkapelle. Beide haben klassizistische Portale aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das große Kirchenschiff ist vierundzwanzig Meter hoch und so breit wie der Chorraum. Es wird von einem mächtigen Tonnengewölbe mit einem Radius von 7,15 Meter abgedeckt und von schweren Pfeilern abgestützt. Über den Seitenschiffen befinden sich auf zwei Stockwerken Emporen, die zum Schiff und zum Chorraum halbrund geöffnet sind. Das Licht kommt in die Kirche durch neunundfünfzig halbrunde Fenster. Das wichtigste Element des Kirchenschiffes ist die neun Meter hohe Kanzel, die im barock-manieristischen Stil gebaut wurde. Auf ihrem Baldachin befindet sich eine Statue des auferstandenen Christus. Im hinteren Teil der Kirche finden wir den Musikchor, der auf sechs Säulen abgestützt ist. Im Musikchor ist die sogenannte Tschammer-Bibliothek untergebracht. Sie entstand in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und gilt heute als ein historisches Denkmal der evangelischen Kirchengemeinde in Teschen. In den unterirdischen, für die Öffentlichkeit geschlossenen, Räumen befinden sich alte Grabkammern. Neben der Kirche gab es früher auch einen Friedhof, den man bis 1887 für Beerdigungen benutzte, bis ein neuer Friedhof in der Bielitzer Straße (ul. Bielska) angelegt wurde. In der Nähe der Jesus-Kirche wurden auch weitere, für das Leben der Kirchengemeinde wichtige Objekte erbaut, wie zum Beispiel: Wohnungen für die Pfarrer, eine Schule, ein Jugendwohnheim – das sogenannte „Alumneum“ – und andere. Über zweihundert Jahre lang war die Jesus-Kirche die einzige protestantische Kirche in Teschen. Trotz vieler Differenzen zwischen den Mitgliedern der Kirchengemeinde, gehörten ihr sowohl die Vertreter der polnischen, deutschen und tschechischen Nationalität, wie auch die Vertreter der sogenannten „Schlonsaken“-Bewegung an. Die politischen Ereignisse und die Teilung der Stadt hatten zum Auseinanderbrechen der Teschener evangelischen Kirchengemeinde geführt. Die Protestanten, die nach der Teilung der Stadt in Tschechisch Teschen verblieben waren, teilten sich wiederum in zwei Gruppen. Bereits im Jahre 1920 hatte die Gruppe der tschechischen Protestanten eine Kirchengemeinde der Böhmischen Brüder ins Leben gerufen. Die polnischen und die deutschen Protestanten blieben bis zum Jahre 1926 in einer gemeinsamen Gemeinde zusammen. Durch alle diese Veränderungen hielten die Protestanten es für erforderlich, neue Gotteshäuser zu bauen. Sie sind bis heute ein solches Element des Lebens und der Architektur geblieben, das nicht von der Stadt wegzudenken ist.
Wir lassen die Jesus-Kirche hinter uns zurück und gehen die Paweł-Stalmach-Straße (ul. Stalmacha) hinunter. Dort wo diese Straße mit der Straße des 3. Mai (ul. 3. Maja) zusammenläuft, biegen wir nach links ab. Die Straße des 3. Mai führt uns nun bis zum Grenzübergang an der Olsa. Wir gehen über die Freiheitsbrücke (Most Wolności), die man früher Jubiläumsbrücke nannte, auf die andere Seite des Flusses, dann durch die Schießhausstraße (Střelniční), bis wir schließlich über die erste Straße links, nämlich die Dukelskastraße (Dukelská) die evangelische „Auf-den Auen-Kirche“ (Na Nivách) erreichen.