Landtag mit Landgericht
Anfangs unterstand die Gerichtsbarkeit dem Herzog selbst, da sie zu seinen Hoheitsrechten (den sogenannten Regalien) gehörte. Mit Hilfe der Hofbeamten, die aus den hervorragendsten Vertretern des Adels ernannt wurden, übte der Herzog die Gerichtsbarkeit selbst aus. Das herzogliche Gericht nannte man Hofgericht. Im 15. Jahrhundert hatte dann der Herzog an seiner rechtsprechenden Gewalt den Adel beteiligt. In einem Dokument vom 7. Juli 1477 nannte er die Rechtsvorschriften, nach denen das aus den Vertretern des Landadels neu gebildete Gericht tätig sein sollte. Das war der Beginn des sogenannten Landgerichtes, das den Namen “Landtag” trug, weil während der Gerichtssitzungen auch die Tagungen der Grundbesitzer stattfanden, die die gesetzgebende Gewalt innehatten und sie auch an diesen Tagen ausübten. Zu den Grundbesitzern zählte der Adel und die Stadt Teschen als Besitzerin einiger Dörfer in der Umgebung. Im Jahre 1572 hatte Herzog Wenzel III. Adam den freien Ständen, das heißt den Herren und den Rittern, ein Privileg verliehen, wonach sie sich ausschließlich vor dem Landgericht zu verantworten hatten. Der Herzog hatte in diesem Privileg gleichzeitig alle bisherigen den Grundbesitz betreffenden Privilegien der Stände bestätigt. Der Wirkungsbereich des Landrechtes wurde vom Herzog in der “Landesordnung des Teschener Herzogtums” zusammengefaßt. Ihre Grundlage bildete das bereits lange schon angewandte Gewohnheitsrecht. Im Teschener Herzogtum bediente man sich dann der “Landesordnung” über zweihundert Jahre lang. Die letzte Abschrift des Gesetzbuches stammt aus dem Jahre 1796.
Das Landgericht tagte unter dem Vorsitz des Herzogs. Im 16. Jahrhundert jedoch stand schon dem Gericht ein Gerichtsmarschall vor, der aus dem Adel vom Herzog ernannt wurde. Der Adel hatte aus seiner Mitte mindestens neun Gerichtsbeisitzer als Beistand für den Marschall gewählt, und der Herzog hatte sie ernannt. Nachdem die Dynastie der Teschener Piasten ausgestorben war, stand dem Gericht ein Landeshauptmann vor, der von 1654 an die regierenden Herzöge aus der Dynastie der Habsburger vertreten hatte. Die Gerichtssitzungen fanden zweimal im Jahr statt, und sie begannen am Montag vor Pfingsten und am Montag vor dem St.-Katharina-Tag (der jedes Jahr auf den 25. November fällt). In den Vormittagsstunden des zweiten Tages einer Gerichtssitzung fanden auch meistens Beratungen des Landtags statt. Eine Gerichtssitzung dauerte dann insgesamt sechs Tage. Anfangs wurden die Sitzungen im Herzogsschloß in der sogenannten großen Tafelstube abgehalten. Anfang des 16. Jahrhunderts hatte man die Tagungen in den Kreuzgang des Dominikanerklosters verlegt. Vom Ende dieses Jahrhunderts an wurden sie in einem speziell zu diesem Zwecke erbauten Gebäude durchgeführt. Das Gebäude hieß “Soudnicze Zemskie”, und es steht bis heute an der Ecke des Dominikanerplatzes und der Landhausgasse (Plac Dominikański - ul. Sejmowa). Erstmalig wurde das Gebäude im Jahre 1596 erwähnt, und daraus konnte man lediglich erfahren, daß seine Wände mit Wappenbildern der Landrichter geschmückt waren. Ein Umbau des Gebäudes im Barockstil fand im Jahre 1742 statt.
Während des Stadtbrandes im Jahre 1789 fiel auch das Gerichtgebäude den Flammen zum Opfer. Es war Herzog Albert von Sachsen-Teschen, der es wiederaufbauen ließ. Man hatte dann ein einstöckiges Gebäude mit einem Mansardendach errichtet. Im Erdgeschoß befand sich ein großer Sitzungssaal, der ein Tonnengewölbe erhielt, und im ersten Stock hatte man die Büroräume und die Archive des Landtages und des Landgerichts untergebracht. Den Sitzungssaal hatte man mit vierunddreißig gemalten Adelswappen geschmückt. Es handelte sich dabei um die Wappen der Gerichtsmitglieder, das Stadtwappen von Teschen und das Wappen Herzog Karl Ludwigs (sie befinden sich heute im Museum Beskyd im Friedek-Misteker Schloß (Frýdek- Mistek). Außerdem hing im Sitzungssaal eine Fahne, die der Teschener Adel im Jahre 1662 von Kaiser Leopold II. für die Grenzverteidigung des Herzogtums während der Türkenkriege erhalten hatte (heute befindet sie sich im Museum des Teschener Schlesiens). Die Sitzungen des Gerichts fanden immer in einem feierlichen Rahmen statt, und das ganze Zeremoniell unterlag zahlreichen Vorschriften, die die Hierarchie der teilnehmenden Adeligen widerspiegelten. Zu einer vorher festgelegten Zeit erwarteten alle männlichen Vertreter des Teschener Adels den Herzog oder seinen Stellvertreter im Gerichtssaal. Die Anwesenheit war Pflicht. Über die Abwesenden wurden hohe Geldstrafen verhängt. Das Erscheinen des Herzogs oder seines Stellvertreters, des Landesmarschalls oder später des Landeshauptmanns, wurde durch Musik angekündigt. Vor ihnen wurde als Symbol der Gerechtigkeit ein blankes Schwert getragen. In den Gerichtssaal durften keine Waffen mitgenommen werden. Nur der Herzog und die Richter waren berechtigt, eine Waffe bei sich zu tragen. Zusammen mit den Richtern betraten vier Walacheier Fußsoldaten als Wachposten den Saal. Sie wachten über die Sicherheit der Richter und die Ruhe während der Sitzung. An der Eingangstür postierte man zwei bewaffnete Wachmänner. In einer bestimmten Reihenfolge hatten die Richter am Richtertisch Platz genommen. Der Vorsitzende des Gerichts nahm Platz in der Mitte des Tisches, rechts von ihm saß der Kanzler, neben dem Kanzler dann die Vertreter des Herrenstandes. Links von dem Vorsitzenden war der Platz der Landrichter und neben ihnen saßen dann die Vertreter des Ritterstandes. Das Teschener Landrecht bestimmte die Reihenfolge der zu behandelnden Angelegenheiten. Zuerst prüfte man die Streitsachen, dann die Sachen der Witwen und Waisen, weiter die Schuldenangelegenheiten und zum Schluß Delikte gegen die Ehre (Ehrenbeleidigungen) und Strafsachen. Alle verhandelten Sachen und die Urteile wurden vom Kanzler in die Landgerichtsbücher eingetragen. Das älteste uns bekannte Landgerichtsbuch stammt aus dem Jahre 1565. Besonders interessant war die Form, in der vor Gericht die Aussagen gemacht wurden. Sie spiegelte die strenge feudale Rangordnung der damaligen Gesellschaft im Teschener Herzogtum wider. Die Ritter und die Herren sagten vor Gericht persönlich aus. Die Stadtbürger und die Bauern hatten ihre Aussagen vor einem Gericht niedrigerer Instanz gemacht, und diese Aussagen wurden dann dem Landgericht in schriftlicher Form vorgelegt. Eine Ausnahme stellten nur die Streitsachen in Grenzangelegenheiten. In solchen Fällen hatten die Stadtbürger “nach alter Sitte” niederkniend, mit entblößtem Kopf und gehobenem Finger ausgesagt. Die Bauern machten nur mit einem Hemd bekleidet, niederkniend in einem ellentiefen Graben und eine Grasnarbe auf dem Kopf haltend ihre Aussagen. Um eine Aussage zu erhalten, waren auch Folter zugelassen; man hatte sie jedoch nur bei Räubern und Verbrechern angewendet.
Am Tage der Gerichtssitzungen hatte der Herzog mit einem üppigen Mahl auf dem Schloß die Ritter bewirtet. Für diese Mahlzeiten hatte anfangs die Töpferzunft das Geschirr geliefert, später hatten dann die Stadtbürger ihr Zinngeschirr ausgeliehen. Diese Sitte verschwand im Jahre 1711. Von diesem Jahr an hatten nämlich die Richter Bezüge erhalten, deren Höhe von ihrer Stellung abhing. Am 13. Mai 1779 hatten sieben Vertreter der europäischen Staaten in dem Gerichtsgebäude den sogenannten Teschener Friedensvertrag unterzeichnet. Mit diesem Vertrag endete der Bayerische Erbfolgekrieg zwischen Preußen und Österreich. Nach den Ereignissen des “Völkerfrühlings” hatte das Teschener Landgericht seine Tätigkeit beendet. Der kaiserliche Erlaß vom 4. März 1849 hatte alle Formen der Leibeigenschaft aufgehoben und führte das Prinzip der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz ein. An Stelle des Landgerichts der Stände wurden in Teschen ein Bezirksgericht und ein Kreisgericht geschaffen. Das Gebäude des Landgerichts, das auch Landtag genannt wurde, war bis zum Jahre 1918 im Besitz der nachfolgenden Teschener Herzöge. Obwohl dort keine Versammlungen des Adels mehr stattfanden, wurde es zum Symbol der feudalen Gesellschaftsordnung in Teschener Schlesien, die sich auf die Herrschaft eines Herzogs und des ihm unterstellten Adels gründete.