Orthodoxe Synagoge „Schomre Schabbos“ (ul. Božkova 16)
In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde das Bethaus in der Odboje-Straße für die Mitglieder des Vereins „Schomre Schabbos“ schon zu klein. Der Verein erwarb deshalb in der damaligen Breiten Gasse (heute: Božkova-Straße) 16, ein Baugrundstück, mit dem Ziel, dort eine eigene Synagoge zu bauen. Das Grundstück lag nicht weit vom Tschechisch Teschener Marktplatz entfernt. Die Baupläne dafür entwarf Eduard David, einer der renommiertesten lokalen Architekten. Noch im gleichen Jahr wurde die Synagoge von der Baufirma Josef Noseks und Adolf Richters zum Preis von 280 000 Kronen fertiggestellt.
Bei der Synagoge „Schomre Schabbos“ handelte sich um ein Gebäude mit drei Stockwerken und einem Satteldach. Man hatte sie in eine Häuserlücke gebaut, so dass sie sich von den benachbarten Häusern nur durch die Aufschrift „Schomre Schabbos“ auf dem Eingang sowie durch einige ausgefallene Details unterschied. Im Hochparterre und im ersten Stock hatten die Fenster reiche, profilierte Umrahmungen mit Scheitelsteinen und Gesimsen. Der Architekturstil war eklektisch mit mauretanischen Elementen. Der Raum, der den Gebeten dienen sollte, hatte die Maße: 14 mal 9 Meter bei 8,7 Meter Höhe. Der Aaron-haKodesz-Schrein war nach Südosten gerichtet und befand sich in einer portalähnlichen Einfassung auf einem Podest mit fünf Treppen. Vor ihm, in der Mitte des Saals, stand der Lesetisch (auch Bima oder Almemor genannt). Dies entsprach dem orthodoxen Charakter der Synagoge. Im oberen Stockwerk wurde an drei Seiten des Gebetssaals die für Frauen bestimmte Empore gebaut. Die Innenausstattung war überwiegend aus Holz. In der Synagoge gab es 152 Plätze für Männer und ungefähr hundert für Frauen. In dem erhöhten Untergeschoss befand sich eine Wohnung für den Hausmeister und das im Jahre 1935 dort von dem Verein „Taharas Jisroel“ eingerichte rituelle Bad.
Weil die Synagoge in einer Häuserzeile gebaut war, verbrannten die Nazis sie nicht, sondern zerstörten nur das Innere des Gebäudes. Während des Krieges diente sie als Lager für Bühnenwände und Theaterrequisiten. Nach dem Krieg hatte der „Schomre Schabbos“-Verein seine Tätigkeit wiederaufgenommen und benutzte die Synagoge als Bethaus. Genauso benutzte sie die nach dem Krieg wieder entstandene Kultusgemeinde in Tschechisch Teschen. Natan Bergman, der Vorsteher der Kultusgemeinde wanderte jedoch im Jahre 1948 nach Israel aus und nahm die Thorarollen mit, da sie das Privateigentum seiner Familie waren. Das verlassene Objekt wurde 1967 an den Polnischen Bildungs- und Kultur Verein (Polski Związek Kulturalno Oświatowy) verkauft, der im Jahre 1978 das Gebäude seinem Bedarf entsprechend renovierte. Heute dient es den Bildungsaktivitäten des „PZKO“-Vereins sowie als Redaktionssitz des Monatsmagazins „Zwrot“. Es ist dort auch ein Café untergebracht. Das Gebäude, das sich heute in einem guten baulichen Zustand befindet, steht nicht unter Denkmalschutz.
Am 15. September 1994 wurde an der Fassade der ehemaligen Synagoge des „Schomre Schabbos“-Vereins eine Gedenktafel enthüllt, die der einstigen jüdischen Kultusgemeinde in Tschechisch Teschen gewidmet ist. Bereits am 9. Mai 1969 wurde an dem Gebäude der ehemaligen Thonet-Mundus-Fabrik in der Frýdecká-Straße eine Gedenktafel enthüllt. Auf dem Fabrikgelände hatten die Nazis im Jahre 1939 ein Durchgangslager für einige hundert Einwohner der Stadt mit jüdischer Herkunft eingerichtet. Man hatte sie später von dort nacheinander in verschiedene Konzentrationslager gebracht.
Von der Božkova-Straße ist es nicht weit zum Olsaufer. Wenn wir entlang des Ufers nach rechts gehen, kommen wir bei der früheren Jubiläumsbrücke an, die heute Freiheitsbrücke (Most Wolności) heißt. Durch diese Brücke gehen wir in den polnischen Teil der Stadt zurück. Hier ist der Spaziergang auf den Spuren der jüdischen Denkmäler in Teschen und Tschechisch Teschen beendet. Die Gedenktafeln, die Friedhöfe und die „Schomre Schabbos“-Synagoge sind heute die einzigen Spuren der jahrhundertelangen Anwesenheit der Juden in Teschen. Es gibt jetzt keine jüdischen Synagogen und keine Bethäuser mehr. Wir können nur versuchen, uns nach den wenigen übriggebliebenen Bildern ihr Aussehen vorzustellen. Die Bürger von Teschen verbinden auch das Wort „Kantor“ nicht mehr mit einem Sänger, der kunstvolle Lieder in Synagogen sang. Eine ganze Gesellschaft ist verschwunden, die jahrhundertelang ein unerlässliches Element einer besonderen nationalen, religiösen und kulturellen Mannigfaltigkeit der Stadt bildete.
Es gibt nur wenige Menschen, die sich noch an die Verdienste der jüdischen Bürger für beide Teile von Teschen und für andere Länder (Teschener Juden hatten schon immer rege Kontakte mit dem Ausland gepflegt) erinnern.
In Teschen sind unter anderem geboren:
Sidonie Kohen (Kohn) (1830-1900) war Frauenrechtlerin. Sie hatte im Jahre 1866 in Wien einen Verein gegründet, der Schulen und Kurse für arbeitssuchende Frauen und Mädchen unterstützte. Dank ihrer Aktivität war im Jahre 1871 in der österreichischen Monarchie die erste Mittelschule für Mädchen entstanden.
Emanuel Alois Ziffer (1833-1913) war Ingenieur und baute viele Bahnlinien in der österreichischen Monarchie. Er war eine Autorität auf dem Gebiet des Eisenbahnwesens. Im Jahre 1910 wurde er vom Kaiser in den Adelsstand erhoben und erhielt das Adelsprädikat „von Teschenbruch“.
Ferdinand Klebinder (1847-1910) war Redakteur und gründete in Wien einige Zeitungen, unter anderem die „Wiener Bürgerzeitung“ und das „Tagblatt“. Er war ein einflussreicher Kommunalaktivist, wirkte jahrelang im Stadtrat und war vom 1904 an Mitglied der Wiener Stadtverwaltung.
Hermann Heller (1891-1933) war der Sohn eines Teschener Rechtsanwalts, als Theoretiker der Staats- und Rechtslehre hielt er Vorlesungen an vielen deutschen Universitäten, unter anderem in Berlin und Frankfurt am Main. Sein erst nach dem Tode erschienenes Werk „Staatslehre“ wurde mehrmals herausgegeben und in viele Sprachen übersetzt.
Kamil Klein (1900-1945) war Jugendsprecher und 1938 Führer der jüdischen Bewegung „Blau-Weiß“ (Tchelet Lavan) im Protektorat Böhmen und Mähren. Er war in Dachau gestorben.
Max Rostal (1905-1991) war ein Geiger von Weltruhm und man hatte ihn den „Teschener Paganini“ genannt. Er lernte bei Professor Henri A. Trouck und später in der Musikschule von Slawik und Pogrobiński. Er war erstmalig im Alter von sechs Jahren als sogenanntes „Wunderkind“ in Teschen aufgetreten. Von 1913 an lebte er in Wien, setzte seine Karriere in Berlin, dann in England und der Schweiz fort. Später gab er Konzerte in der ganzen Welt. Er hatte den Violinwettbewerb seines Namens ins Leben gerufen.
In Teschen ist auch der Komponist Victor Ullman (1898-1944) geboren. Er war der Sohn eines Militärs, der zum Katholizismus konvertierte. Von 1909 an wohnte er mit seiner Mutter in Wien und wurde dort Schüler von Arnold Schönberg. Er war als Dirigent und Musikpädagoge vor allem in Prag tätig und komponierte auch selbst. Die Nazis hatten ihn ins Ghetto nach Terezin deportiert, wo er sich weiterhin musisch betätigte. Er starb im Konzentrationslager in Auschwitz.
In Cameral-Elgot (Ligotka Kameralna) ist Rosa Pauly-Dreesen (richtiger Name: Rosa Pollak) (1894-1975) geboren. Sie war Sopranistin. Sie hatte die Musikmittelschule in Teschen absolviert und in der Slawik-Musikschule ihren ersten Gesangunterricht genommen. Sie trat erstmalig in der Wiener Staatsoper auf, danach folgten Auftritte vor allem in Deutschland und nach 1933 auch in Prag, Wien und in den USA.
In Tschechisch Teschen ist Ludvik Aškenazy (1921-1986) geboren. Er war Radioredakteur und Schriftsteller, der in Tschechisch und Deutsch schrieb. Nach der Rückkehr aus der Sowjetunion im Jahre 1945 ließ er sich in Prag nieder, wo er als politischer Kommentator beim tschechoslowakischen Rundfunk tätig war. Er hatte viele Reportagen, Drehbücher und Kinderbücher veröffentlicht. Seit dem Jahre 1968 lebte er als Emigrant in Bayern.
Mit dem Titel eines Ehrenbürgers der Stadt Teschen wurden ausgezeichnet: Im Jahre 1994 der Historiker Richard Pipes. Er wurde 1923 in Teschen geboren, wo sein Vater eine Schokoladenfabrik besaß. Vom Zweiten Weltkrieg an lebte er in den USA, wo er als Lehrer an der Harvard-Universität und Berater des Präsidenten Ronald Reagen in Sachen Russland und Mitteleuropa tätig war.
Im Jahre 2002 Józef Kornblum Prosaschriftsteller. Er ist in Pruchna geboren und lebte seit 1935 in Israel. In seinen Werken knüpfte er an die Familientradition aus Teschener Schlesien an.