Piastenschloß (Oberes) auf dem Schloßberg
Das Teschener Schloß auf dem Schloßberg ist von allen Objekten am unmittelbarsten mit der Piastendynastie verbunden. Die archäologischen Ausgrabungen belegen, daß sich schon um das 5. Jahrhundert vor Christus Menschen an diesem Berg ansiedelten. Im 1. Jahrhundert vor Christus befand sich dort eine Siedlung, die unter dem Einfluß der mit den Kelten zusammenhängenden sogenannten La-Tène-Kultur stand. Die Archäologen stellten eine Unterbrechung in der Ansiedlung am Schloßberg ab dem 1. Jahrhundert nach Christus fest. Sie fand erneut erst ab der Wende vom 9. zum 10. Jahrhundert statt; diesmal war es aber schon die slawische Bevölkerung, die sich dort niederließ. Zuerst gehörte die Burg zu Großmähren und zum Böhmischen Fürstentum, um das Jahr 990 wurde sie dann dem Staate der Piasten einverleibt und von einem Burggrafen (Kastellan) verwaltet. Die Befestigungsanlagen der Burg bestanden aus einem Holz- und Erdwall. Allmählich wurden auch gemauerte Bauten errichtet: die St.-Nikolaus Rundkirche und später dann der Bergfried. Nachdem das selbständige Teschener Herzogtum entstanden war, begann eine intensive Bebauung des Schloßberges, wo die Piasten-Herrscher dann ihren Sitz genommen hatten. In den Zeiten Kasimirs I., vor allem aber Primislav I. Noszaks, entstand eine gotische Residenz, die den souveränen Herzögen angemessen war, die eine bedeutende Rolle in der Politik des Königreiches Böhmen gespielt hatten. Primislav I. hatte bei den Arbeiten am Schloß unter anderem Künstler beschäftigt, die aus der Prager Werkstatt von Peter Parler kamen. Von ihrer Hand stammten die Wappen aus Stein, die den Piastenadler darstellten und an den vier Ecken des Piastenturmes angebracht waren. Neben dem Turm befanden sich Gebäude mit den Räumen der Herzöge, und diese Räume waren nach einer Beschreibung aus dem Jahre 1619 „schön und gut eingerichtet“. Repräsentationsräume waren unter anderem mit Wandfliesen geschmückt, die den Namen des Herzogs Primislav in lateinischer Sprache trugen. In den Fenstern hatte man, eventuell erst in einer späteren Zeit, bunte Glasscheiben mit dem Wappen der Teschener Piasten eingesetzt. Das Ganze wurde durch die Wirtschaftsräume ergänzt, zum Beispiel hatte man später neben dem Bergfried ein Gebäude mit einer Feuerstelle aus Ziegeln und Steinen ausgegraben, die man als Küche identifizierte. Innerhalb des Schloßhofes befand sich auch die St.-Nikolaus-Rundkirche, die die Aufgabe einer Schloßkapelle erfüllte. Bei dem oben Beschriebenen handelt es sich um das sogenannte Obere Schloß, das auch von dreifachen Mauern mit Verteidigungstürmen und einem Tor umgeben war. Den Eingang zum Tor beschützte ein mächtiger Turm am Tor, der einen Durchmesser von fast zehn Metern hatte, und dessen Mauern dreikommavier Meter dick waren. Der Südteil des Turmes am Tor ragte vier Meter durch die Mauerflucht heraus, was den Wachposten eine gute Verteidigungsmöglichkeit im Fall eines Angriffs bot. In den letzten Jahren wurden der Turm und ein Fragment der Zufahrt zum Oberen Schloß teilweise rekonstruiert. Unterhalb des Oberen Schlosses lag das Untere Schloß, in dem sich Räume für die Dienerschaft, Wirtschaftsräume, Stallungen sowie eine Waffenkammer befanden.
Das Teschener Schloß faßte in seinen besten Tagen sogar zwei tausend polnische und dreihundert böhmische Ritter. Sie bildeten im Jahre 1454das Gefolge von Elizabeth von Habsburg, der Braut des polnischen Königs Kasimir Jagiellonczyk. Weitere Ausbauten hatte man in den Zeiten Kasimirs II. vorgenommen. Damals wurde wahrscheinlich der Verteidigungsturm errichtet, der mit Kanonen ausgerüstet war. In der Ausschmückung seiner Residenz hatte der Herzog bewußt an die Zeiten seines großen Großvaters Primislav Noszak angeknüpft. In diesen Jahren hatten aber Brände zweimal das Schloß zerstört: 1484und 1520. Ein weiterer Brand suchte das Schloß im Jahre 1603heim, als bereits Herzog Adam Wenzel in Teschen herrschte. Wie die Chronisten berichten, war das Schloß zu dieser Zeit eine Art Waffenlager, weil Adam Wenzel ständig Kriege führte, vor allem mit den Türken. Das Schloß selbst wurde jedoch bislang nie belagert. Die Lage änderte sich während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1638), als das Schloß einige Male von verschiedenen Truppen besetzt wurde. Die schlimmsten Folgen hatte die Eroberung im Jahre 1645 durch die schwedischen Truppen sowie die Belagerung im Frühling 1646 durch die Truppen der Habsburger. Es sind Zeichnungen aus der Belagerungszeit erhalten geblieben. Sie zeigen unter anderem die Position der Kanonen und das Schloß fünf Minuten vor dem tragischen Ende. Als Folge des Kanonenbeschusses und der Unterminierung war das Schloß bereits zerstört, bevor die Schweden sich schließlich entschlossen hatten, sich zu ergeben. Herzogin Elisabeth Lukretia war nicht mehr ins Schloss zurückgekehrt; sie hatte auch die Mittel nicht, um es wiederaufzubauen. Die nach ihr herrschenden Habsburger waren noch weniger an einem Wiederaufbau interessiert. Das Schloß wurde dann Sitz der herzoglichen Güterverwaltung der Habsburger, der sogenannten Teschener Kammer. Sie hatte die Trümmer dazu benutzt, die benötigten Wirtschaftsgebäude zu errichten. Die vorgesetzten Behörden hatten in Gefahrenzeiten (zum Beispiel während der Aufstände in Ungarn) eine Reparatur der Schloßmauern angeordnet; diese Anordnungen wurden jedoch nicht befolgt. Die alten Objekte nutzte man je nach augenblicklichem Bedarf; man errichtete auch neue, zum Beispiel eine Branntweinbrennerei oder die Schloßbrauerei. Die Habsburger selbst hatten das Schloß und die Stadt Teschen nur gelegentlich besucht. Eine Änderung trat erst in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts ein. Der damalige Eigentümer des Teschener Herzogtums Erzherzog Karl von Habsburg beschloß nämlich, das Schloß in eine Sommerresidenz umzuwandeln. Im Jahre 1836 begann man dann die Reste des Oberen Schlosses abzureißen, ohne aber den Piastenturm und die St.-Nikolaus-Rundkirche in diese Maßnahmen einzubeziehen. Die Rundkirche hatte man der klassizistischen Architektur des neuen Jagdschlosses im Stil angepaßt. Das Jagdschloß wurde von dem bekannten Wiener Architekten Josef Kornhäusel entworfen. Das Gelände des Schloßberges wurde planiert, und man hatte dort einen romantischen Park angelegt, für den man Bäume aus verschiedenen Teilen Europas hatte holen lassen. Vom Ende des 19. Jahrhunderts an konnten auch an bestimmten Tagen die Einwohner von Teschen den Park besuchen. Im Jahre 1914hatte man, als letzte Baumaßnahme im Bereich des Oberen Schlosses, an Stelle des Bergfrieds künstliche Ruinen angelegt.
Aus dem alten gotischen Schloß der Teschener Piasten sind nur die St.-Nikolaus-Rundkirche und der Piastenturm unangetastet übriggeblieben. Andere Teile des Schlosses werden, wenigstens zum Teil, allmählich rekonstruiert, um der Nachwelt überlassen zu werden. Dazu gehört der Bergfried und der Turm am Tor. In Fragmenten erhalten geblieben sind auch die Fundamente der alten Schloßmauern.
Text: Janusz Spyra
Textredaktion und Wahl der Abbildungen: Renata Karpińska
Übersetzung aus dem Polnischen: Magdalena Engelmann