Piastenturm
In der Piastenzeit war der in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts errichtete Piastenturm das wichtigste Element des Verteidigungssystems vom Teschener Schloß. Er ist aus Stein gebaut, hat einen quadratischen Grundriß, ist fast dreißig Meter hoch und besteht wesentlich aus vier Teilen. Der unterirdische Teil liegt sechs Meter unterhalb des heutigen Erdniveaus und war früher ein Burggefängnis. Der untere Teil des Piastenturmes, dessen Seitenlänge neun und die Höhe zehn Meter beträgt, war früher für wirtschaftliche Aufgaben bestimmt. Der Mittelteil, fünfzehn Meter hoch und mit einer Seitenlänge von achteinhalb Meter, diente früher höchstwahrscheinlich als Wohnung. Der vier Meter hohe obere Teil des Turmes ist am besten ausgebaut und den militärischen Aufgaben angepaßt. Die überstehende Turmkrone ist aus Ziegeln gebaut, auf Steinbalken abgestützt und hat Verteidigungsvorrichtungen, die es bei Bedarf erlaubten, durch Öffnungen im Boden heiße Flüssigkeiten auf den Feind zu schütten und Geschosse zu werfen. Das Ganze war durch Schießscharten und einen Zeltdach ergänzt. Innen hat der Piastenturm sieben Stockwerke, die durch Treppen miteinander verbunden sind. Im unteren Teil sind die Treppen aus Stein, im oberen aus Holz. Die Mauern sind im unteren Teil zweieinhalb, im oberen anderthalb Meter dick. Durch schmale Fenster fiel ein wenig Licht, und an den Ecken des Turmes wurden vier Wappen der Piasten angebracht.
Wenn wir die hundertzwanzig Stein- und Holzstu-fen hinaufgeklettert sind, erreichen wir die Aussichtster-rasse, die nunmehr auf dem letzten Stockwerk des Turmes eingerichtet wurde. Von dort hat man die Aussicht nicht nur auf beide Teile der Stadt Teschen, sondern auch auf die Umgebung. Von oben kann man auch die Objekte sehen, die früher mit den Piasten im Zusammenhang standen, und in denen einige Erinnerungsstücke an die Piastenzeit erhalten geblieben sind.
Weit entfernt, in Brandeis (Brandys), das heute schon auf dem Gebiet von Tschechisch Teschen liegt, befand sich in alten Zeiten ein von Obstgärten und Gehöften umgebenes Sommerschlößchen der Teschener Piasten. Eben dort war im Jahre 1617 Herzog Adam Wenzel gestorben. Es hielt sich dort auch häufig seine Tochter Elisabeth Lukretia auf. Sie empfing dort zum Beispiel die Teschener Walachen, ein Schäfervolk aus dem nahe gelegenem Beskidengebirge. Die Steuern von der Schafzucht, die die Walachen zu zahlen hatten, stellten für die letzte Teschener Herzogin eine beachtliche Einkommensquelle dar. Das Schlößchen existiert schon lange nicht mehr; sein Aussehen ist uns aus späteren Beschreibungen und Inhaltsdeutungen alter Bildwerke bekannt. Von dem Piastenturm sehen wir, jetzt schon auf der polnischen Seite, unter anderem die St.-Georg-Pfarrkirche, deren Anfänge auf das Mittelalter zurückgehen. Sie war als eine Kapelle bei dem „Bürgerspital“ entstanden. Das Bürgerspital, eigentlich ein Armenhaus für kranke, arme und alte Stadteinwohner, war eine städtische Einrichtung, die aber auch von den Herzögen unterstützt wurde. Unter anderem hatte Herzog Wenzel Adam nach der Auflösung des Ordens der Bernhardiner (einer Abzweigung des Franziskanerordens) im Jahre 1545 der Stadt die Grundstücke und die Gebäude des Klosters geschenkt, und sie waren für das Bürgerspital bestimmt. An die Piasten erinnert der bis heute erhalten gebliebene Gewölbeschlußstein mit dem Piastenadler im Chorraum (Presbyterium) der St.-Georg-Kirche. Das Kloster der Bernhardiner, 1476 von Herzog Primislav II. gestiftet, lag ein wenig oberhalb davon, in der Lastenstraße (heute ul. Michejdy 20), dort wo sich im 19. Jahrhundert die städtische Schießstätte befand. Von der Aussichtsterrasse des Turmes sehen wir ebenfalls deutlich den blau gestrichenen Turm der Dreifaltigkeitskirche. Als im Jahre 1585 Teschen von einer Seuche befallen wurde, mußte der Friedhof vergrößert werden. Die Grundstücke dazu hatte Herzogin Katharina Sidonia der Stadt geschenkt. An Stelle einer Friedhofskapelle aus Holz wurde im Jahre 1594die Kirche erbaut. Nach der Wiedereinführung des Katholizismus als des herrschenden Bekenntnisses im Teschener Herzogtum im Jahre 1609 hatten die Teschener Herzöge den Protestanten die kleine Kirche zur Weiternutzung (bis 1654) belassen. Die Kirche trägt bis heute die Merkmale der Spätgotik und der Renaissance. In dem erst im Jahre 1864erbauten Turm ist bis heute eine Kirchenglocke aus dem Jahre 1641 erhalten geblieben, die das Wappen von Elisabeth Lukretia und eine Inschrift trägt, die der letzten Teschener Herzogin gewidmet ist.
Wenn wir den Schoßberg wieder hinuntergegangen sind, kommen wir direkt in die Tiefe Gasse (ul. Głęboka). Es ist die Hauptstraße der Stadt. Die erste Straße, die von der Tiefen Gasse nach links abbiegt, ist die Münzgasse (ul. Mennicza). Nach ein paar Schritten durch die Münzgasse erreichen wir den Theaterplatz. Das Gebäude des Adam-Mickiewicz-Theaters ist im Jahre 1910 im Neobarockstil als Deutsches Theater erbaut worden. Früher stand hier eine österreichische Kaserne und davor eine alte Teschener Pfarrkirche.
Text: Janusz Spyra
Textredaktion und Wahl der Abbildungen: Renata Karpińska
Übersetzung aus dem Polnischen: Magdalena Engelmann