Romanische St.-Nikolaus-Rundkirche
Die Rundkirche (auch Rotundenkirche genannt) ist das älteste gemauerte sakrale Objekt in Teschener Schlesien, das erhalten geblieben ist. Einer Sage nach war sie entstanden, nachdem man auf polnischem Gebiet im Jahre 965 das Christentum eingeführt hatte, und zwar an der Stelle eines Tempels für die heidnische Göttin des Todes und des Winters, Marena (Marzana) genannt. Manche Geschichtsschreiber waren sogar der Meinung, daß die Rundkirche mit dem Tempel identisch sei. So schrieb zum Beispiel Jakob Schickfuß in seiner 1625 herausgegebenen Schlesienchronik, daß sich in Teschen auf dem Herzogsschloß ein heidnischer Tempel befinde, aus dem man nach Einführung des Christentums die Statuen der Götter entfernt habe. In Wirklichkeit hat die Rotunde nichts mit den heidnischen Zeiten gemeinsam. Sie wurde nämlich im 11. Jahrhundert erbaut. Man stellte sie im Südwesten des Schloßberges weit unterhalb des jetzigen Grundbodenniveaus auf. Das Kirchengebäude besteht aus einem Schiff mit einem runden Grundriß und einer halbrunden Apsis auf der Ostseite, die mit drei Stufen miteinander verbunden sind. Auf der Westseite des Kirchenschiffes befindet sich eine Empore, die auf drei Säulenarkaden abgestützt ist. Die Empore war für den Kastellan (Burggrafen) bestimmt. Von dort führte ein Durchgang zu der Pfalz (palatium), also zu der Residenz des Burggrafen und später zum Herzogsschloß. Anfangs diente die Rotunde als Burgkapelle und als Kirche für die Bewohner der Siedlung am Fuße der Burg. In den geschriebenen Quellen wird die Rundkirche erstmalig im Jahre 1223als St.-Nikolaus-Kapelle erwähnt, die den Zehnten zugunsten des Klosters der Norbertanerinnen aus Rybnik zu zahlen verpflichtet war. In den Quellen aus dem Jahre 1284 finden wir den Namen des Schloßpfarrers Bartholomäus, dann in denen aus 1361 den Namen eines Schloßpfarrers Volsobius und schließlich 1460 den eines Kirchendieners Franziskus. Nachdem aber das Teschener Herzogtum und das gemauerte gotische Schloß entstanden waren, veränderte sich das Aussehen und die Art der Rundkirche. Der Fußboden wurde um zwei Meter erhöht und die romanischen Fenster in der Apsis zugemauert. An ihrer Stelle wurden größere Fenster, jetzt schon im gotischen Stil, eingesetzt. Infolge eines Brandes der Kapelle und des Schlosses waren das Dach und die Innenausstattung der Kapelle abgebrannt. Im Jahre 1495 hatte der aus Stonava stammende Plesser Pfarrer Wenzel Hynal einen Altar für die Kirche gestiftet. Er weihte den Altar der Göttlichen Vorsehung, der Jungfrau Maria, Johannes dem Täufer, dem heiligen Erasmus und dem heiligen Wenzel. Diese letzte Weihe war der Grund für einen späteren Versuch, den heiligen Wenzel als den Schutzheiligen der Rotundenkirche einzuführen. In der Zeit als im Teschener Herzogtum die protestantische Konfession das amtliche Bekenntnis war, hatten evangelische Pfarrer und Prediger die Funktion des Schloßpfarrers ausgeübt. Sie wurden von den Herzögen eingestellt, und in ihrer Obhut befand sich die Kapelle. Gelegentlich hatte die Kapelle auch außerreligiöse Aufgaben erfüllt. Zum Beispiel im Jahre 1617 ruhte dort neun Monate lang der Leichnam des verstorbenen Herzogs Adam Wenzel, bis er im April des kommenden Jahres in der Gruft der Dominikanerkirche bestattet worden war.
Nachdem die Piastendynastie 1653ausgestorben war, verlor die Kapelle den Charakter einer Schloßkapelle. Die Verwalter der Teschener Kammer hatten ihr wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die Quellen aus dem 18. Jahrhundert sagen lediglich, daß die Kapelle alt sei, eine Kuppel habe, und ihr nur ein alter Altar und ein silberner Kelch als Ausstattung dienten. Nur zweimal im Jahr fanden dort Gottesdienste statt, und zwar an den Tagen des heiligen Nikolaus und des heiligen Wenzels. An den übrigen Tagen diente die Kapelle als Lager für Werkzeuge, die für die Abhaltung sogenannter Gottesgerichte erforderlich waren, gelegentlich auch als Waffenlager. Als das Untere Schloß in den Jahren 1838-1840 umgebaut wurde, hatte man die bereits teilweise eingesunkene Rundkirche zur Hälfte zugeschüttet, den oberen Teil mit Ziegeln verkleidet, die Fenster vergrößert und die Fassade passend zum neuen Schoß nach klassizistischer Manier unterteilt. Die Kirche erhielt einen neugotischen Altar aus Holz mit dem Bild des heiligen Wenzels. Erst während des 2. Weltkrieges hatten die deutschen Archäologen damit begonnen, den Außen- und den Innenputz zu entfernen. Sie hatten auch den Fußboden bis zu seinem ursprünglichen Niveau freigelegt. Die endgültige Rekonstruktion, die den alten romanischen Charakter der Rundkirche wiederhergestellt hatte, wurde in den Jahren 1947-1955 abgeschlossen. Man hatte die alten Fenster, die Altarplatte und Teile des Fußbodens freigelegt und auch die Empore restauriert. Seit den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts werden in der Rundkirche am Tage ihres Schutzheiligen, des Sankt Nikolaus, Gottesdienste abgehalten.
Text: Janusz Spyra
Textredaktion und Wahl der Abbildungen: Renata Karpińska
Übersetzung aus dem Polnischen: Magdalena Engelmann