Städtebauliche Entwicklung
Der älteste bewohnte Platz in Cieszyn war der Schloßberg. Die Stadt selbst entwickelte sich am Fuße des Schlosses, anfangs auf dem Hügel, der dem Schloßberg gegenüber lag, und später in den zwei parallel verlaufenden Straßen: der Polnischen, auch Tiefe Gasse (ul. Głęboka) genannt, und der Deutschen (heute ul. Mennicza) entlang. Das ursprüngliche Stadtzentrum befand sich in der Gegend des heutigen Theaterplatzes (Plac Teatralny). Dort standen unter anderem die Maria-Magdalena-Pfarrkirche, die Städtische Schule sowie die herzogliche Münzstätte. Hinter diesem Platz, vom Schloß aus gesehen, liegt der Alte Markt. Im 19. Jahrhundert wurde er einige Zeit Marienplatz genannt, weil dort eine gotische Madonna-Figur aufgestellt wurde, die vorher vor dem Schloß stand. Im Jahre 2000 entdeckten die Konservatoren unter dreißig Schichten Ölfarbe eine authentische Skulptur aus der Werkstatt Peter Parlers, eines am Hofe Kaiser Karls IV. tätigen Bildhauers. Die Entdeckung der Teschener Madonna war in den letzten Jahren eines der größten Ereignisse auf dem Gebiet der Bildhauerkunst. Auf dem Alten Markt wird bis heute ein Markt abgehalten.
Im Mittelalter war die Stadt entlang der Flüsse Olsa und Boberbach von einem Holz-Erde-Wall und von einer Palisade umgeben. Im Südosten wurde sie von einem Wall und einem Wassergraben geschützt. Das Dominikanerkloster, das im 13. Jahrhundert gestiftet wurde, lag schon hinter dem Wall. Im 15. Jahrhundert war hinter diesem Wall ein Marktplatz entstanden. Den Platz dafür stellte der Stadt der Teschener Herzog Kasimir II. zur Verfügung. Anfang des 16. Jahrhunderts wurde Cieszyn von Stadtmauern umgeben, in denen sich drei Tore befanden: in der Nähe des Schlosses das Wassertor und das Freistädter Tor, und am gegenüberliegenden Ende der Stadt das Obertor. Die natürlichen Bedingungen und Grenzen hatten die „birnenartige“ Form des alten Cieszyns bestimmt. Die Stadt wurde nämlich an drei Seiten - durch den Schloßberg und durchs Wasser der Olsa und des Boberbaches - begrenzt. Innerhalb der Stadtmauern befanden sich im Jahre 1526 nur 183 Häuser, die von nicht viel mehr als tausend Einwohnern bewohnt waren. Das Gebiet innerhalb der Stadtmauern (das heutige Zentrum von Cieszyn) war der Gerichtshoheit des Stadtrates und des Magistrats unterstellt.
Außerhalb der Stadtmauern hatten sich mehrere Vorstädte entwickelt. Eine von ihnen, die sogenannte Neustadt, entstand bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Zu diesem Zwecke wurden die ehemaligen Gärten des Dominikanerklosters in Grundstücke aufgeteilt. Hinter dem Obertor entstand die Obere Vorstadt, die zwar zur Stadt Cieszyn gerechnet wurde, die aber einige Zeit eine eigene Gerichtsbarkeit unterhielt. Die in unmittelbarer Nähe des Schlosses liegenden Freistädter Vorstadt sowie die Große und Kleine Wiese und die am linken Olsaufer liegenden Kamenz und Brandeis waren der Gerichtsbarkeit der Teschener Herzöge und nach 1653 der Teschener Kammer unterstellt. Auf alten Zeichnungen kann man sehen, wie Cieszyn im 17. Jahrhundert ausgesehen hatte. Nach dem Jahre 1709 wurde die Jesus-Kirche zu einem markanten Element der Stadtbebauung. Sie wurde dank Kaisers „Gnade“ auf einem die Stadt überragenden Hügel errichtet, da sie nicht innerhalb der Stadtmauern gebaut werden durfte.
Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Stadt von verschiedenen Schicksalskatastrophen heimgesucht. Es gab Seuchen und Brände. Vor allem die Brände in den Jahren 1552 und 1720 zerstörten die überwiegend aus Holz gebauten Bürgerhäuser. Nach dem Großbrand im Jahre 1789, der die ganze Stadt mit Ausnahme der Neustadt vernichtete, wurden viele Änderungen in der Stadtbebauung durchgeführt. Manche schmalen Gassen hatte man breiter angelegt, die Pfarrkirche wurde in die Dominikanerkirche verlegt und an ihrer Stelle eine Militärkaserne gebaut. Die Stadtmauern wurden abgerissen, und damit der Weg einem späteren Stadtwachstum eröffnet, das Obertor beseitigt und sein Name der Straße gegeben, die die Stadt mit der Oberen Vorstadt verband. Zwischen der neuen Obertorstraße und der Stadt entstand ein Platz namens Oberring, wo zuerst mit Vieh aus Galizien und später mit Holz gehandelt wurde. Daher nannte man den Platz in der Umgangssprache Holzmarkt. Das wichtigste Gebäude am Oberring war nach dem Jahre 1876 das Kloster der Barmherzigen Schwester vom heiligen Karl Borromäus, die von Trebnitz (Trzebnica) nach Cieszyn zugezogen waren. In ihrem Kloster hatten die Borromäerinnen verschiedene Bildungs- und Erziehungsanstalten für Mädchen und weibliche Jugendliche geführt. An der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert hatte Herzog Albert von Sachsen-Teschen am Fluß Olsa ein neues Stadtviertel namens Mühlengraben für die Weber anlegen lassen, um das Tuchhandwerk wiederzubeleben. Heute nennt man das Viertel „Teschener Venedig“, und es gehört zu den idyllischsten Winkeln der Stadt. Dank dem Herzog entwickelten sich auch die am linken Olsaufer gelegenen Stadtteile. Man nannte sie ihm zu Ehren Sachsenberg. Ebenfalls dank ihm war eine Allee (heute Masarykovy sady genannt) entstanden, die an der Hauptbrücke beginnt und in Richtung des Waldparks Grabina verläuft.
Eine Zeit des intensivsten Aufblühens erlebte Cieszyn an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Es wandelte sich damals zu einer modernen Stadt um. Die größten Verdienste diesbezüglich gebühren den damaligen Bürgermeistern von Cieszyn - Jan und Leonard Demel von Elswehr. Mit dem Namen des ersteren hatte man den Marktplatz benannt, und an den letzteren erinnert das sogenannte Demel-Loch, eine Unterführung unter der Bahnlinie in Český Těšín. In der Regierungszeit der beiden Bürgermeister hatte die Stadt eine moderne städtische Infrastruktur erhalten, das Rathaus bekam sein endgültiges Aussehen, und es wurden viele neue Einrichtungen erbaut, zum Beispiel das luxuriös ausgestattete Kaiserbad. Auf dem sogenannten Matterhügel wurde eine große Militärkaserne gebaut, die Erzherzog-Friedrich-Kaserne genannt wurde. Die bis dahin einstöckigen Bürgerhäuser, vor allem die am Marktplatz und an den Hauptstraßen gelegenen, wurden aufgestockt und hatten eine Ausschmückung im Geist des Wiener Jugendstils erhalten. Überhaupt war die Hauptstadt der Donaumonarchie ein Vorbild in fast allem für die Teschener Bürger, so daß sie ihre Stadt „das kleine Wien“ nannten. Die Tiefe Gasse (ul. Głęboka) blieb weiterhin die Hauptverkehrsstraße, gleichzeitig war sie die Hauptgeschäftsstraße mit den in der Stadt bekanntesten Läden und Lokalen. Die Straßen außerhalb des Zentrums, zum Beispiel die Lastenstraße (heute ul. Michejdy) mit ihren Produktions- und Verkaufsstätten für Möbel, die Töpferstraße (ul. Garncarska), Bobreker Gasse (ul. Bobrecka), Schröttergasse (ul. Śrutarska) oder die Berggasse (ul. Górna) hatten weniger vorzeigbar ausgesehen. Nicht besser wirkten die kleinen Seitengassen, wie zum Beispiel die Schodowa-Straße, die an der Stelle eines ehemaligen Durchgangs in der Stadtmauer entstanden war, oder die Tempelgasse (ul. Bóżnicza) mit der 1838 errichteten und 1878 ausgebauten jüdischen Synagoge. Die Vorstadtstraßen wie die Freistädter Straße (ul. Frysztacka) oder die Haslacher Straße (ul. Hażlaska) hatten weiterhin den Charakter ländlicher Wege beibehalten.
Die Bebauung der Stadt spiegelte auch die nationalen und politischen Vorlieben der Stadteinwohner wider, die dann an der Jahrhundertwende zu heißen politischen Auseinandersetzungen geführt hatten. Im Jahre 1898 wurde in der Tiefen Gasse (ul. Głęboka 15) das sogenannte Deutsche Haus erbaut, in dem alle in der Stadt wirkenden deutschen Vereine ihren Sitz fanden. Es folgte das Polnische Haus, das 1901 in einem Bürgerhaus am Marktplatz eingerichtet wurde, in dem sich vom 17. Jahrhundert an das Gasthaus „Zum Schwarzen Adler“ befand. Auf ähnliche Art lassen die damals aufgestellten Denkmäler die nationalen Verhältnisse in der Stadt erkennbar werden. In den Zeiten der österreichischen Monarchie wurden folgende Denkmäler enthüllt: im Jahre 1884 Kaiser Josephs II., 1901 Franz Schuberts, 1906 Friedrich Schillers, 1908 Kaiser Franz Josefs I., 1912 des evangelischen Pfarrers Theodor Haase. Nach der Teilung der Stadt im Jahre 1920 wurden in Cieszyn im Jahre 1931 ein Denkmal des Teschener Herzogs Mieszko I. und 1934 eins für die Mitglieder der Polnischen Legionen sowie in Český Těšín 1930 ein Denkmal für die Gefallenen im Ersten Weltkrieg und 1937 eins für Georg (Jerzy) Trzanowski errichtet.
Schon seit dem Mittelalter gab es immer in der Nähe des Schlosses eine Brücke, die Lange, Schloß- oder Salzbrücke genannt wurde. (Heute heißt sie Freundschaftsbrücke). Im Jahre 1891 hatte man eine neue mit einer Gitterwerkkonstruktion aus Eisen errichtet und 1903 eine zweite, die „Jubiläumsbrücke“ genannt wurde. Zwischen den beiden Brücken hatte der Baumeister Ludwig Kametz eine Fußgängerbrücke aus Holz gebaut. Alle diese Brücken verbanden das Zentrum der Stadt mit den am linken Ufer gelegenen Stadtteilen, in denen vor dem Ersten Weltkrieg bereits vierzig Prozent der Stadteinwohner lebten. Im Jahre 1869 wurde in diesem westlichen Stadtteil eine Linie der Bahnlinie Kaschau-Oderberg gebaut, und 1871 auch der Bahnhof in Betrieb genommen. Aus diesem Grunde begann man die größeren Betriebe am linken Olsaufer anzusiedeln. So zum Beispiel waren dort die Fabrik der Bugholzmöbel Kohn (später Thonet Mundus), die Druckereien der Familie Prochaska und Kutzer, oder die Ziegelei Johann Górniaks entstanden. Im Jahre 1911 hatte eine Straßenbahnlinie das Zentrum von Cieszyn mit dem Bahnhof verbunden. Zu den öffentlichen Einrichtungen, die am linken Olsaufer entstanden waren, gehörte die im Jahre 1882 von dem 1875 gegründeten Schützenverein erbaute Schießstätte sowie das städtische Gaswerk.
Die Teilung eines jahrhundertelang bestehenden Stadtorganismus im Jahre 1920 hatte für beide Teile bedeutende Folgen. In dem polnischen, in dem fast alle öffentlichen Einrichtungen verblieben waren, änderte sich nicht viel. Jetzt wurde hier nur das Gebäude der Versicherungsanstalt in der Bielskastraße gebaut, aber sonst waren keine weiteren größeren Objekte entstanden. Schrittweise bebaute man Grundstücke an den weiter entfernten Straßen. Es hatte trotzdem lange gedauert, bis eine von Český Těšín unabhängige städtische Infrastruktur geplant und erschaffen war. Der bisherige Bahnhaltepunkt am Boberbach wurde in einen Bahnhof umgewandelt, das ehemalige Schloß der Familie Larisch, und später der Familie Demel, war zusammen mit dem Friedenspark in den Besitz der Stadt übergegangen und wurde Sitz des Museums. Im Jahre 1922 hatte man das eng mit Cieszyn verbundene Dorf Błogocice und zehn Jahre später dann das Dorf Bobrek eingemeindet.
Der am linken Olsaufer gelegene Stadtteil, der der Tschechoslowakei zugesprochen wurde, erlebte als die neue Stadt Český Těšín viel größere Veränderungen. Innerhalb von weniger als zwanzig Jahren hatte man dort alle erforderlichen Gebäude für die öffentlichen Einrichtungen und eine große Anzahl privater Wohnhäuser - die meisten davon in einem gelungenen modernistischen Stil - erbaut. Es waren dort staatliche und kommunale Behörden, ein Friedhof, ein Feuerwehrhaus, ein Krankenhaus, aber auch Kindergärten und Schulen, darunter polnische und deutsche, entstanden. In der Erzherzog-Albrecht-Allee (heute: Masarykovy sady) stand schon eine katholische Kirche. Man hatte in der Zeit nach 1920 drei evangelische Kirchen und eine Synagoge, sowie drei jüdische Bethäuser gebaut. Im Jahre 1929 wurde das Rathaus errichtet, und 1933 auf dem Platz, auf dem das Rathaus stand, der neue Marktplatz geschaffen. Für die Einwohner wurde eine Reihe Bürgerhäuser gebaut, und es war in dem Viertel „Na Rozvoji“ eine Einfamilienhaus-Kolonie entstanden. Viele Industriebetriebe hatten sich in der Stadt entwickelt, aber am besten gedieh das Bauwesen. Im Jahre 1930 waren in der Stadt zwanzig Baufirmen tätig, von denen die bekanntesten Eugen Fulda und Karl Friedrich gehörten. Es wurden viele Geschäfte und Speiselokale eröffnet. Nach 1933 konzentrierte sich das gesellschaftliche Leben im Café „Avion“, das als ein Anbau an das ältere Hotel „National“ entstand, das direkt hinter der Brücke am Schloß lag.
Ein großer Wandel in der Bebauung beider Teile von Cieszyn vollzog sich nach 1945. Sowohl Cieszyn wie auch Český Těšín hatten ihre Fläche durch die Eingemeindung einiger benachbarten Dörfer vergrößert. In den Vorstädten wurden verschiedene große Fabriken und am Stadtrand ein paar große Wohnsiedlungen gebaut. Die kommunistischen Machthaber, die aus ideologischen Gründen der Schwerindustrie den Vorzug gaben, hatten nicht im besonderen Maße auf die vorhandene Bebauung Rücksicht genommen, so daß dann einige Gebäude für den Bedarf des Autoverkehrs abgerissen wurden. In Český Těšín hatte man noch größere Veränderungen eingeleitet. An Stelle der Möbelfabrik Kohn wurde ein Busbahnhof eingerichtet. Im Zentrum der Stadt hatte man die Baulücken geschlossen, so zum Beispiel auf dem Marktplatz, wobei nicht immer auf die Stileinheit der Neubauten mit den benachbarten Häusern geachtet wurde. Im Jahre 1961 war das Kulturhaus - ein Gebäude für kulturelle und politische Veranstaltungen - zusammen mit einem Theater gebaut worden. Die meisten von den damals errichteten Gebäuden wurden zunächst im Stil des sogenannten Sozrealismus gebaut. Auf beiden Seiten der Grenze wuchs auch allmählich die Bedeutung der Grenzübergänge, die man laufend ausbaute, bis schließlich ein neuer großer Grenzübergang in Boguszowice bei Cieszyn gebaut wurde.
In dem letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hatten die Verwaltungen beider Städte viel Aufmerksamkeit der Wiederherstellung eines angemessenen Aussehens von Cieszyn gewidmet. Viele alte Objekte wurden restauriert, und man hatte dabei neue und bessere Materialien verwendet. Auf diese Weise und durch den Anbau eines neuen Flügels wurde zum Beispiel das ehemalige Stadthaus der Familie Bludowski instand gesetzt, das heute von der Bibliothek für Geschichtliche Landeskunde genutzt wird.