Theater
Theaterplatz - Plac Teatralny
Anfang des 20. Jahrhunderts war Teschen eine sich rasch entwickelnde Stadt, so daß sowohl der bisherige, hinter dem Rathaus liegende, Theatersaal (heute das Kino “Piast” in der Rathausstraße - ul. Ratuszowa) als auch der “Erzherzog-Eugen-Saal” nicht mehr ausreichten. Die Teschener Kaufleute, Handwerker und Unternehmer hatten zusammen mit der Teschener Stadtverwaltung beschlossen, ein neues Theater zu bauen, das den aktuellen Bedürfnissen angemessen wäre. Dieses Vorhaben war auch eine Folge des Nationalkonfliktes, der in der Stadt gärte und mit der Zeit an Intensität zunahm. Das Theater sollte ein Zentrum der deutschen Kultur werden. Im Jahre 1902 entstand der private Theaterbauverein, der auch bald eine halbe Million Kronen emsig gesammelt hatte. Mit seinem Bauauftrag wandte sich der Verein an die erfahrene Architektenfirma “Fellner & Helmer” aus Wien. Diese Firma war auf den Bau von Theatergebäuden spezialisiert und hatte im In- und Ausland einen ausgezeichneten Ruf. Dieses in ganz Europa berühmte Architektenbüro hatte im Jahre 1872 Ferdinand Fellner zusammen mit Hermann Helmer gegründet. Bis zum Jahre 1915 hatten die beiden Architekten in allen erdenklichen europäischen Städten über zweihundert Objekte gebaut. Es waren Schlösser und Paläste, Villen und Mietshäuser, Hotels, Fabriken, Banken und Kaufhäuser. Unter den zweihundert Bauten waren auch achtundvierzig Theater, unter anderem in Wien, Augsburg, Salzburg, Karlsbad, Zürich und Berlin, und auf polnischem Gebiet in Stanisławów, Thorn (Toruń) und Łańcut. Nach zahlreichen Besprechungen und nach erteilter Baugenehmigung wurde im Jahre 1908 mit dem Bau des Teschener Theaters begonnen. Die Arbeiten hatte hauptsächlich die Teschener Baufirma von Eugen Fulda ausgeführt. Es war daran auch der Unternehmer Hugo Baruch aus Berlin und Wien beteiligt, der auf den Bau von Theaterbühnen spezialisiert war, sowie die Firma “Pittel & Brausewetter” aus Wien, die die Konstruktionsteile aus Stahlbeton geliefert hatte.
Das Theater wurde an der Stelle gebaut, wo bis Ende des 18. Jahrhunderts die erste Teschener Pfarrkirche und später ein stilloses Kasernengebäude stand. Die Bauarbeiten waren 1909 abgeschlossen worden. Das modern ausgestattete Theater verfügte über siebenhundertsiebzig Sitzplätze (heute sind es sechshundertsechzig), eine Drehbühne, einen eisernen Vorhang als Brandschutz, eine eigene zentrale Heizanlage, ein eigenes Elektrowerk, ein Lager für die Dekorationen und Kostüme, einen Ballettsaal und Garderoben für die Darsteller. Das Teschener Theater ist im Stil des modernisierten Spätbarock erbaut. Das heißt, daß die Merkmale des Jugendstils auf die Vorbilder aus dem 18. Jahrhundert übertragen wurden. Das Ergebnis davon war eine außergewöhnlich weiche Außenarchitektur mit vielen gebrochenen Gesimsen und Bögen. Der Zuschauerraum und das Foyer erhielten weißgestrichene Wände, die mit reichem Goldstuck geschmückt waren. Alle diese Baudetails hatten dem Theater Glanz und Charme verliehen. Die feierliche Einweihung des neuen Theaters fand am 24. Oktober 1910 statt. Der Theaterbauverein wurde von diesem Zeitpunkt an zum Deutschen Theaterverein, der auch jetzt dem Theater vorstand. Ein großes Ereignis stellte für das Theater der Besuch des jungen Erzherzogs Karl Franz Josef und seiner Frau Prinzessin Zita von Bourbon-Parma dar. 1916 wurde Karl als Karl I. Kaiser und Zita Kaiserin, und sie waren das letzte Kaiserpaar der österreichischen Monarchie. Sie hatten am 16. März 1912, einige Monate nach ihrer Heirat, während einer Reise nach Kolomea (Kołomyja) in Galizien Teschen besucht. Nach einer Erholung im Schloß und nach einer Abendmahlzeit hatte das erzherzogliche Paar das Theater besucht. Auf einen speziellen Wunsch der Besucher wurde im Teschener Theater die Operette “Eva” von Franz Lehar aufgeführt. Das elegante Publikum begrüßte stehend die hohen Gäste, und der Theaterdirektor Oskar Gärtner übergab ihnen in der Hofloge ein Theaterprogramm, das mit goldenen Lettern auf weißer Seide gedruckt war.
Vor Mitternacht, nach dem Ende der Vorstellung, hatte Erzherzog Karl den Teschenern in warmen Worten für den wahrhaftig Wiener Abend gedankt. Das Repertoire des “Deutschen Theaters in Teschen” bestand aus Werken in deutscher Sprache. Aus wirtschaftlichen Gründen war jedoch der Theaterverein gezwungen, das Theater auch für polnische Vorstellungen zu vermieten. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt es den Namen “Adam-Mickiewicz-Theater”.