Zeiten der konstitutionellen Monarchie
Das erste Mal in der jahrhundertelangen Geschichte von Cieszyn hatten seine Bürger während des Völkerfrühlings im Jahre 1848 die Gelegenheit erhalten, über ihr Schicksal selbst zu bestimmen. Sie konnten die Vertreter der staatlichen Organe wählen und auch an freien Wahlen zu der Kommunalverwaltung teilnehmen. Das wichtigste Ereignis war das Erscheinen des „Teschener Tagblattes“ im Mai 1848. Die Redaktion des Blattes wurde von August von Paweł Stalmach übernommen. Um das „Tagblatt“, das später als „Teschener Sternchen“ weitergeführt wurde, konzentrierte sich die immer stärker werdende polnische nationale Bewegung.
Die entscheidenden Änderungen in Teschens Geschichte traten erst ein, nachdem in der österreichischen Monarchie die konstitutionelle Regierungsform eingeführt wurde. Es geschah zum gleichen Zeitpunkt, als Teschen auf dem Höhepunkt seiner wirtschaftlichen und demographischen Entwicklung stand. Im Jahre 1849 zählte die Stadt ungefähr siebentausend Einwohner, 1910 bereits zwanzigtausend, ohne daß man die fast zweitausend Militärs aus der örtlichen Garnison hinzurechnet. Die Regierung der Stadt wurde dem für drei Jahre gewählten Gemeindeausschuß übertragen, der wiederum aus den eigenen Reihen den Vorstand mit dem Bürgermeister an der Spitze aussuchte. Als Bürgermeister waren in Teschen tätig (Amtszeiten stehen in Klammern): Dr. Jan Demel (1861-1892), Dr. Leonard Demel (1892-1908 und 1913-1915) und Dr. Rudolf Bukowski (1908-1913) .In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Stadt zu einem modernen städtischen Zentrum mit einer leistungsstarken kommunalen Infrastruktur. Viele öffentliche Gebäude wurden neu errichtet oder bestehende umgebaut, es wurde eine Gas- und später eine elektrische Straßenbeleuchtung eingeführt. Die meisten Bürgerhäuser, die innerhalb der ehemaligen Stadtmauern lagen, wurden ausgebaut, und die Bauherren hatten sich dabei den Wiener Jugendstil zum Vorbild genommen. Für die Bedürfnisse der vielen Touristen, die die Stadt besuchten, boten zahlreiche Hotels und Gasthäuser ihre Dienste an. Am linken Olsaufer wurde ein Bahnhof gebaut, und die hier liegenden Stadtteile entwickelten sich zum städtischen Industriegebiet. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Cieszyn auch zu einem wichtigen Bildungs- und Kulturzentrum. Im Jahre 1910 wurde das Deutsche Theater eröffnet. Die Bibliothek sowie das Museum von Leopold Jan Szersznik waren nicht mehr die einzigen Objekte dieser Art in der Stadt, da immer weitere entstanden, unter anderem das Stadtmuseum. Die Bürger nahmen an allen städtischen Angelegenheiten aktiv teil, so zum Beispiel waren vor dem Ersten Weltkrieg in Cieszyn 179 registrierte Vereine tätig. Durch das ungleiche, damals aber übliche, Klassenwahlsystem hatten die Partei der deutschen Liberalen die absolute Mehrheit in der Stadtverwaltung. Es war auch in Teschen eine Gruppe der Schlesier tätig, deren Mitglieder zwar aus polnischen Familien stammten, sich aber zur deutschen Sprache und Kultur bekannten. Die Interessen der Tschechen, die sechs Prozent der Stadtbevölkerung ausmachten, repräsentierte der im Jahre 1882 gegründete Klub „Snaha“ (Bestrebung). Die größte Einwohnergruppe in Cieszyn bildete jedoch die polnischsprachige Bevölkerung. Sie wurde von der immer stärker werdenden nationalen Partei geführt. Zu den wichtigsten polnischen Einrichtungen der damaligen Zeit gehörten: die Polnische Volksbibliothek, der Teschener Spar- und Vorschuß-Verein sowie der Schulverein des Teschener Herzogtums. Erst im Jahre 1913 jedoch war in den Teschener Gemeindeausschuß, allerdings nur als Stellvertreter, ein Repräsentant des polnischen nationalen Lagers eingetreten. Trotz des Mangels an politischen Vertretern gelang es, das erste polnische Gymnasium und später die polnische Volksschule in der Świeżystraße (ul. Świeżego) sowie weitere polnische Bildungsstätten zu eröffnen.
Die immer schärferen politischen Auseinandersetzungen mit nationalem Hintergrund hatten dazu geführt, daß im Juli 1920 das Teschener Schlesien und Cieszyn selbst zwischen Polen und der Tschechoslowakei geteilt wurde. Eine in Jahrhunderten organisch gewachsene Stadt wurde durch eine Grenze auseinandergerissen, an die Brücken stellte man Grenzposten, die Straßenbahn wurde abgeschafft.